Die Akte
Callahan in die Luft sprengen konnten, würden sie bei ihr leichtes Spiel haben.
Sie konnte es nicht riskieren, in die Nähe ihres Wagens zu kommen, und sie wollte keinen mieten. Mietfirmen führten Buch. Und sie lagen vermutlich auf der Lauer. Sie konnte fliegen, aber sie überwachten die Flughäfen. Oder einen Bus nehmen; aber sie hatte noch nie eine Fahrkarte gekauft oder das Innere eines Greyhound gesehen.
Und nachdem sie gemerkt hatten, dass sie verschwunden war, würden sie damit rechnen, dass sie sich aus dem Staube machte. Sie war nur ein Amateur, eine kleine Studentin mit gebrochenem Herzen, die hatte mit ansehen müssen, wie ihr Freund in Stücke zerrissen wurde. Sie würde kopflos irgendwohin flüchten, die Stadt verlassen, und dann würden sie sie erwischen.
Im Augenblick fühlte sie sich in der Stadt am besten aufgehoben. Hier gab es eine Million Hotelzimmer, fast ebenso viele Gassen und Kneipen und kleine Lokale, und außerdem herrschte auf Bourbon, Chartres, Dauphine und Royal ständig ein reger Betrieb. Sie kannte sie gut, besonders das French Quarter, wo man alles zu Fuß erreichen konnte. Sie würde ein paar Tage lang von einem Hotel ins andere ziehen, bis wann? Sie wusste nicht, bis wann. Sie wusste nicht, warum. Unter den gegebenen Umständen kam ihr das Herumziehen einfach vernünftig vor. Sie würde sich vormittags von den Straßen fernhalten und versuchen zu schlafen. Sie würde Kleidung, Kopfbedeckungen und Sonnenbrillen wechseln. Sie würde anfangen zu rauchen und eine Zigarette im Gesicht haben. Sie würde herumziehen, bis sie das Herumziehen satt hatte, und dann würde sie die Stadt vielleicht verlassen. Es war völlig in Ordnung, Angst zu haben. Sie durfte nicht den Kopf verlieren. Sie würde überleben.
Sie dachte daran, sich an die Polizei zu wenden, aber jetzt noch nicht. Sie schrieben Namen auf und führten Buch, und sie konnten gefährlich sein. Sie dachte daran, Thomas’ Bruder in Mobile anzurufen, aber es gab nicht das mindeste, womit der arme Mann ihr in diesem Moment hätte helfen können. Sie dachte daran, den Dekan anzurufen, aber wie sollte sie das Dossier erklären, Gavin Verheek, das FBI, die Autobombe, Rosenberg und Jensen und sie selber auf der Flucht, und erreichen, dass es glaubhaft klang? Den Dekan konnte sie vergessen. Sie mochte ihn ohnehin nicht. Sie dachte daran, ein paar Kommilitonen anzurufen, aber Leute reden und Leute hören mit, und sie konnten dort draußen sein und mithören, wie die Leute über Callahan redeten. Sie wollte mit Alice Stark reden, ihrer besten Freundin. Alice machte sich Sorgen, und Alice würde zur Polizei gehen und melden, dass ihre Freundin Darby Shaw verschwunden war. Sie würde Alice morgen anrufen.
Sie wählte die Nummer des Zimmerservice und bestellte einen mexikanischen Salat und eine Flasche Rotwein. Sie würde den ganzen Wein trinken und dann mit dem Tränengas auf einem Stuhl sitzen und die Tür im Auge behalten, bis sie einschlief.
18
G minskis Limousine machte auf der Canal Street eine plötzliche Kehrtwendung, als gehörte die Straße ihr allein, und hielt dann vor dem Sheraton an. Beide Hintertüren flogen auf. Gminski war zuerst draußen, rasch gefolgt von drei Gehilfen, die mit Reisetaschen und Aktenkoffern hinter ihm hereilten.
Es war kurz vor zwei Uhr morgens, und der Direktor hatte es offensichtlich sehr eilig. Er blieb nicht an der Rezeption stehen, sondern steuerte direkt auf die Fahrstühle zu. Die Gehilfen rannten hinter ihm her und hielten ihm die Fahrstuhltür auf, und niemand sprach, als sie sechs Stockwerke hochfuhren.
In einem Eckzimmer warteten drei seiner Agenten. Einer von ihnen öffnete die Tür, und Gminski stürmte ohne ein Wort der Begrüßung hindurch. Die Gehilfen warfen das Gepäck auf eines der Betten. Der Direktor entledigte sich seines Jacketts und warf es auf einen Stuhl.
»Wo ist sie?« fuhr er einen Agenten namens Hooten an. Ein anderer, der Swank hieß, zog die Vorhänge auf, und Gminski trat ans Fenster.
Swank deutete auf das Marriott, einen Block entfernt auf der anderen Straßenseite. »Sie ist im fünfzehnten Stock, drittes Zimmer von der Straße aus, Licht noch an.«
Gminski starrte auf das Marriott. »Sind Sie sicher?«
»Ja. Wir sahen sie hineingehen, und sie hat mit einer Kreditkarte bezahlt.«
»Armes Kind«, sagte Gminski, als er sich vom Fenster zurückzog. »Wo war sie vorige Nacht?«
»Im Holiday Inn an der Royal. Hat mit einer Kreditkarte bezahlt.«
»Haben Sie jemanden
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