Die Akte
entlassen, mauserte er sich zum freiberuflichen Künstler und inserierte als solcher im Branchenbuch. Das Telefon läutete nur selten. Er machte ein bisschen Arbeit von der Art, bei der man herumschlich und Leute fotografierte, die nicht wussten, dass die Kamera auf sie gerichtet war. Die meisten seiner Kunden waren Scheidungsanwälte, die schmutzige Wäsche für ihre Prozesse brauchten. Nach zwei Jahren freiberuflichen Arbeitens hatte er etliche Tricks gelernt und hielt sich jetzt für einen gerissenen Privatdetektiv. Er berechnete vierzig Dollar pro Stunde, wenn er sie bekommen konnte.
Einer seiner Kunden war Gray Grantham, ein alter Freund aus seiner Zeit bei der Zeitung, der ihn anrief, wenn es Schmutzarbeit zu tun gab. Grantham war ein guter, gewissenhafter Reporter mit einem Anhauch von Skrupellosigkeit, und wenn er eine krumme Tour abzog, dann rief er an. Croft mochte Grantham, weil er ehrlich war, was seine Skrupellosigkeit anging. Die anderen waren so scheinheilig.
Er saß in Granthams Volvo, weil der ein Telefon hatte. Es war Mittagszeit. Er rauchte seinen Lunch und überlegte, ob der Geruch haften würde, obwohl alle Fenster geöffnet waren. Er arbeitete am besten, wenn er halb high war. Wenn man seinen Lebensunterhalt damit verdient, Motels zu beobachten, muss man high sein.
Von der Beifahrerseite drang ein frisches Lüftchen herein und wehte den Geruch hinaus auf die Pennsylvania. Er parkte vorschriftswidrig, rauchte Gras und machte sich deshalb keine großen Sorgen. Er hatte weniger als eine Unze bei sich, und sein Bewährungshelfer rauchte es auch, also kein Grund zur Aufregung.
Die Telefonzelle war anderthalb Blocks entfernt, auf dem Gehsteig. Mit seinem Teleobjektiv konnte er fast das Telefonbuch lesen. Kleinigkeit. Eine dicke Frau war darin, füllte die Zelle aus und redete mit den Händen. Croft tat einen Zug und hielt im Spiegel Ausschau nach Polizisten. Dies war eine Zone, in der vorschriftswidrig parkende Wagen abgeschleppt wurden. Auf der Pennsylvania herrschte dichter Verkehr.
Zwanzig nach zwölf zwängte sich die Frau aus der Zelle heraus, und aus dem Nirgendwo erschien ein junger Mann in einem guten Anzug und machte die Tür hinter sich zu. Croft griff nach seiner Nikon und stützte das Objektiv aufs Lenkrad. Es war kühl und sonnig, und auf dem Gehsteig wimmelte es von Leuten, die zum Lunch gingen. Die Schultern und Köpfe bewegten sich rasch vorbei. Eine Lücke. Klick. Eine Lücke. Klick. Das Zielobjekt drückte Nummern und sah sich um. Das war ihr Mann.
Er redete dreißig Sekunden, und das Autotelefon läutete dreimal und verstummte dann. Das war das Signal von Grantham in der Redaktion der Post. Das war ihr Mann, und er redete mit ihm. Croft drückte immer wieder auf den Auslöser. Machen Sie so viele, wie Sie nur können, hatte Grantham gesagt. Eine Lücke. Klick. Klick. Köpfe und Schultern. Eine Lücke. Klick. Klick. Seine Augen schossen herum, während er redete, aber er wendete der Straße den Rücken zu. Das ganze Gesicht. Klick. Croft verknipste einen 36er-Film in zwei Minuten, dann griff er nach einer anderen Nikon. Er schraubte das Objektiv auf und wartete darauf, dass eine Gruppe von Leuten vorbeigezogen war.
Er tat den letzten Zug und warf die Kippe auf die Straße. Das war kinderleicht. Natürlich, man brauchte Talent, um im Atelier ein gutes Bild zustandezubringen, aber diese Arbeit auf der Straße machte viel mehr Spaß. Es war etwas Kriminelles am Stehlen eines Gesichts mit einer verborgenen Kamera.
Das Zielobjekt war ein Mann, der nur wenige Worte machte. Er legte den Hörer auf, schaute sich um und kam auf Croft zu. Klick, klick, klick. Volles Gesicht, volle Figur, ging schneller, kam näher, wundervoll, wundervoll. Croft arbeitete fieberhaft und legte erst im allerletzten Moment die Nikon auf den Sitz und sah hinaus auf die Pennsylvania, als der Mann vorbeiging und dann in einer Gruppe von Sekretärinnen verschwand.
So ein Blödmann. Wenn man auf der Flucht ist, sollte man nie dieselbe Telefonzelle zweimal benutzen.
Garcia redete um den heißen Brei herum. Er hätte eine Frau und ein Kind, sagte er, und er hätte Angst. Vor ihm lag eine Karriere mit einer Masse Geld, und wenn er seinen Verpflichtungen nachkam und den Mund hielt, würde er ein reicher Mann werden. Aber er wollte reden. Er ließ sich darüber aus, wie viel ihm am Reden lag, er hatte etwas zu sagen und all das, aber er konnte sich einfach nicht entscheiden. Er traute niemandem.
Grantham drängte
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