Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
liebte auch ihr leises und halb unterdrücktes Lachen. Jenes Lachen, das stets zu unpassender Zeit kam, wie etwa während des Nautikunterrichts, den Kapitän Alvarez ihnen täglich gab. Ein Lachen, das sie am liebsten erstickt hätte und doch nicht zu beherrschen wusste. Und er liebte ihr ausgelassenes, freies, glockenhelles Lachen, wenn sie beide sich eine Stunde stahlen und allein waren. So allein, wie man auf einer Galeasse eben sein konnte, wo das nächste Paar Ohren nie weiter als drei Schritt entfernt war.
»Du schläfst nicht, oder?«
Einige Herzschläge lang mochte Luc sich nicht entscheiden, ob die Stimme zu seinem Traum gehörte oder gar Wirklichkeit war.
»Schläfer runzeln nicht die Stirn. Ich weiß, dass du jetzt wach bist.«
Blinzelnd öffnete er die Augen. Der Himmel feierte die Abendstunde in tausend Rot- und Goldtönen. Das Geräusch der Brandung war zu einem leisen Flüstern geworden. Luc streckte sich. Dann suchte er nach der Stimme.
Gishild saß hinter ihm auf einem Felsvorsprung. Sie grinste.
»Bist du schon lange hier?«
Ihr Grinsen wurde breiter. »Eine Weile.«
Luc war mit der Antwort nicht zufrieden, aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie ihm mehr nicht sagen würde. Schon gar nicht, wenn er weiter fragte.
»Was tust du hier?«
»Dir beim Aufwachen zusehen.« Sie schnippte einen kleinen Stein in seine Richtung. »Ich habe ein paar Steine und Muschelsplitter nach dir geworfen, weil ich wollte, dass du
aufwachst, aber du hast so tief geschlafen wie ein alter Bär. Und als ich an deinen Träumen teilhatte, wollte ich gar nicht mehr, dass du wach wirst.«
Was sollte das schon wieder heißen? Ein wenig ärgerte es ihn, dass sie versucht hatte, seinen Schlaf zu stören, und er fragte sich, ob sie mit ihrem Steinewerfen für die Arkebusenkugeln und den Hagelschlag in seinen Träumen verantwortlich gewesen war. Und wie hatte sie an seinen Träumen teilhaben können? Die Frage brannte ihm auf der Zunge. Aber er würde sie nicht stellen. Sie wollte gefragt werden. Und dann würde sie ein Geheimnis daraus machen. Sie liebte das. Manchmal waren Mädchen einfach schrecklich kompliziert!
»Du hast meinen Namen gesagt, als du geschlafen hast. Immer wieder …« Sie lächelte.
Luc fragte sich, was er wohl sonst noch gesagt hatte. Ihm schoss das Blut in die Wangen. Das alles war ihm mit einem Mal schrecklich peinlich! Warum tat sie so etwas? Warum belauschte sie ihn beim Schlafen? Erfreulicherweise war sie nicht in der Laune, ihn zu necken. Ganz im Gegenteil. Sie sah ihn an … Es war ein seltsamer Blick, der gar nicht zu der Gishild passte, wie er sie kannte. Eine Gishild, die immer bereit war, sich zur Wehr zu setzen, ganz gleich, ob man sie nun wirklich angegriffen hatte oder sie es sich nur einbildete.
»Es tut gut zu wissen, dass es jemanden gibt, der sogar in seinen Träumen an mich denkt.« Sie sagte das mit so entwaffnender Offenherzigkeit, dass er nicht wusste, was er darauf antworten sollte. Er war tief berührt von Gefühlen, die ihm fremd waren, jenseits seiner Erfahrungen lagen.
Gishild erhob sich und kletterte vorsichtig zu ihm hinab. Sie setzte sich dicht neben ihn und nahm seine Hand. »Ich
habe gesehen, wie du in der Mittagszeit hier hinaufgestiegen bist. Und als ich dich dann stundenlang gar nicht mehr gesehen habe, da habe ich mir Sorgen gemacht.«
Luc konnte nicht ganz nachvollziehen, warum sie sich gesorgt hatte. Wenn er abgestürzt oder ihm sonst etwas zugestoßen wäre, hätte er gerufen. Sie hätte das schon mitbekommen! Er wollte ihr das eigentlich sagen, aber eine innere Stimme warnte ihn, sie jetzt zu unterbrechen.
»Ich bin hier sehr fremd. Ihr nennt mich eine Kameradin, und wir kämpfen im Buhurt gemeinsam, aber ich weiß, dass ich keinen Platz in euren Herzen habe.« Sie reckte das Kinn trotzig vor. »Und ihr habt auch keinen Platz in meinem Herzen. Nur du allein …«
Und dennoch hatte sie Joaquino gerettet, als er fast ertrunken wäre, dachte Luc. Aber Mädchen waren eben so, Worte und Taten mussten nicht unbedingt zusammenpassen.
»Ich glaube nicht an euren Gott Tjured. Und ich weiß, ihr hasst meine Götter. Am Königshof meines Vaters bin ich unter Elfen, Trollen, Kobolden und Kentauren aufgewachsen. Geschöpfe, die ihr bis aufs Blut bekämpft. Ich bin hier, weil man mich meinem Vater und meiner Mutter geraubt hat. Das werde ich euch niemals vergessen. Jedes Mal, wenn die Galeasse in einen neuen Hafen einläuft, überlege ich, wie ich fliehen
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