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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Schisser, was?«
    Ein unerträglich saurer Geruch wehte zu ihm herüber.
    »Sie sollten nicht zu viel trinken, mein Freund. In Ihrem Zustand dürfte das …«
    Der erste Schlag traf ihn am Kinn. Hufeland ballte die Fäuste, während er zu Boden fiel. Sofort war eine wilde Rauferei im Gange, in die sich nun auch Vogt und drei weitere Studenten einmischten.
    Hufeland schien vergessen. Er blieb liegen, bemühte sich darum, |29| das harte Pochen am Kinn zu ignorieren. Er versuchte sich vorzustellen, dass das schmerzende Kinn nicht zu seinem Körper gehörte, dass er es von seinem Ich absondern könne, bis das Innere über das Übel triumphierte. Es gelang rasch, darin hatte er Übung. In diesem Zustand fand ihn Vogt, der eine Weile brauchte, um sich ihm bemerkbar zu machen.
    »Johann«, flüsterte Hufeland, »ich möchte heim.«
    »Kommen Sie«, sagte sein Kommilitone kopfschüttelnd, aber nicht unfreundlich. »Sie werden doch jetzt nicht schlappmachen wollen.«
    Das Gasthaus, zu dem Johann Vogt so zielsicher strebte, erreichten sie an diesem Abend nicht. Über ihren Köpfen braute sich ein Gewitter zusammen, und es war nicht natürlichen Ursprungs. Noch Jahre später erinnerte sich Hufeland an den scharfen Wind, der plötzlich aufkam, Mützen und Tücher durch die Gassen wirbelte, und an den knabenhaften Ludwig Gerstel, den er erst entdeckte, als das Unglück bereits geschehen war.
    Zunächst war nur ein Aufschrei zu hören, der sich jedoch nicht wesentlich von dem übrigen Trubel abhob. Dann aber kam Bewegung in die Menge, sie stob kreischend auseinander vor zwei jungen Burschen, die sich gegenseitig durch die Gasse trieben. Der eine, ein kräftiger Kerl mit dunklen Haaren, der die rote Jacke der Holsteiner trug, drohte mit dem Degen und rief mit wutverzerrtem Gesicht: »Stell dich, Scheißkerl, zeig, dass du ein Mann bist!«
    Der andere, ein junger blonder Mann mit ausgeprägten Wangenknochen, nicht minder groß als der Angreifer, sah nicht so aus, als wollte er diesen Kampf. Mit großen Schritten wich er rückwärts aus, während er versuchte, den Stoß seines Gegners mit einem Stock abzuwehren. Hufeland erkannte in ihm einen Kommilitonen und engen Freund Johann Vogts, Albert Steinhäuser.
    Duelle waren in Jena beinahe an der Tagesordnung, wurden bei der geringsten Beleidigung eingefordert. In der Stadt und den Vororten, in Wirtshäusern, Mühlen und Privathäusern, trotz Androhung von Geldbußen und Karzerhaft. Von diesem jungen Holsteiner Landsmann aber, der nun stehen blieb und Albert mit |30| funkelnden Augen maß, ging eine Bedrohung aus, die Hufeland unwillkürlich zurückweichen ließ. Bange suchte er Zuflucht in einem der Hauseingänge, neben zwei Studenten, die die Mädchen, die sie begleiteten, schützend in den Arm nahmen. Schlagartig war es still in der Gasse geworden.
    »Lass mich in Ruhe«, schrie nun Albert Steinhäuser, und seine Stimme überschlug sich. Er trat einen Schritt zurück und wäre beinahe gestolpert.
    »Narr, feiger, wie könnte ich dich gehen lassen!«
    Der Holsteiner reckte den Kopf, und die glänzende Klinge in seiner Hand spiegelte die Sonnenstrahlen auf sein Gegenüber. Er schwang den Degen und ließ ihn mit einem gezielten Hieb auf den Stock niederfahren, der krachend zerbarst. Der Dunkelhaarige grinste angesichts seiner offensichtlichen Überlegenheit, beobachtete belustigt den vor Schreck erstarrten Albert, kitzelte ihn mit der Degenspitze am Hals. Dann schien sein Zorn wieder überhandzunehmen. »Du Kanaille, wirst du wohl um deine Ehre kämpfen!«
    Mit einer schnellen Bewegung zog der Holsteiner einem überraschten Schaulustigen den Degen aus dem Gürtel und warf ihn seinem Gegner zu. »Hier, oder hat dich dein Fechtmeister nicht gelehrt, damit umzugehen?«
    Klirrend fiel die Klinge zu Boden. Albert schien zu erkennen, dass er keine Wahl hatte, als sich dem Rencontre zu stellen. Er bückte sich, ohne den Blick von seinem Gegner zu wenden, und hob die Waffe langsam auf.
    Hufeland meinte, einen Ruck durch Alberts Körper gehen zu sehen, als dieser begann, die erneut einsetzenden Hiebe zu parieren.
    Der junge Mann stellte sich geschickt an, bewies sogar eine gewisse Leichtigkeit in der Führung des Stoßdegens. Ja, eine Zeitlang schien sich sogar ein ausgeglichener Wettkampf zu entwickeln, und die Umstehenden begannen, mal den einen, mal den anderen anzufeuern.
    Doch Alberts Kraft schwand merklich, und schon bald zitterten seine Hände unter der Wucht der Stöße. Die Hiebe des

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