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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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nur Folgendes mit: »Jetzt sehen wir sie uns mal in Ruhe an, Antonella, bestimmt ist es nichts Besorgniserregendes. Die Ernährungsgewohnheiten der jungen Leute heutzutage … Dabei leiden sie selbst am meisten darunter.« Sie betrat Selvaggias Zimmer und verströmte Mandarinenduft. Dann näherte sie sich der jungen Patientin, die gekrümmt auf der Seite lag und nach wie vor deine Hand hielt. Die Ärztin wollte, dass sie sich ausstreckte, aber sie rührte sich nicht von der Stelle und zitterte weiterhin. »Selvaggia, los, nur ganz kurz!«, versuchtest du sie zu überreden: Du warst fest davon überzeugt, dass sie sich entspannen konnte, wenn du sie darum batst.
    Während der Untersuchung warteten eure Eltern im Erdgeschoss. Du dagegen warst direkt vor dem Zimmer stehen geblieben – nur für den Fall, dass sie etwas brauchte. Kaum waren die Alten nach unten verschwunden, setztest du dich auf den Boden und nahmst den Kopf zwischen die Hände. Dir wurde immer beklommener zumute, und du fühltest dich wie kurz vor der Hinrichtung. Was hast du nur, Selvaggia, fragtest du dich immer wieder vergeblich. Was hast du bloß, mein Schatz? So etwas wie eine böse Vorahnung verstörte dich zutiefst, und du starrtest auf die weiße Wand vor dir. Ein x-beliebiger Punkt daran sagte dir, dass es harmlos war, während dir eine Reihe anderer x-beliebiger Punkte mitteilte, dass durchaus Anlass zur Sorge bestand. Satzfetzen drangen aus dem Zimmer: die Fragen der Ärztin, Selvaggias ängstliche Antworten, dann sogar Seufzer.
    Irgendwann trat eine lang anhaltende Stille ein. Allein bei dem Gedanken, das Schreckgespenst einer tödlichen Krankheit könnte sich dahinter verbergen, spürtest du ein Stechen in der Brust. Tatsächlich hatte sie in letzter Zeit ziemlich erschöpft auf dich gewirkt und längst nicht so lebhaft wie sonst. Aber das hattest du auf die jüngsten Anfeindungen geschoben – so als wäre die innere Emigration nur eine logische Konsequenz, wenn man von Menschen umgeben ist, die einen verabscheuen.
    Sofort machtest du dir Vorwürfe, kamst dir vor wie der letzte Idiot, weil du es nicht geschafft hattest, das Nächstliegende zu erkennen. Du standst nur auf, weil du eine rauchen wolltest und die Zigaretten noch dort lagen, wo du sie zurückgelassen hattest, nämlich auf der Kommode unter dem antiken Spiegel in der Mitte des Flurs.
    Dabei streifte dein Blick den Spiegel, und als du dich darin entdecktest, zucktest du zusammen vor lauter Schreck. Du sahst einen leichenblassen jungen Mann, dem der kalte Schweiß ausgebrochen war und der vor lauter Angst kaum noch Luft bekam, ja zu ersticken drohte: Dein Spiegelbild hatte etwas Unheilverkündendes; deine Fratze sah zum Fürchten aus, zog dich aber trotzdem wie magisch in ihren Bann. Du fuhrst dir mit zwei Fingern übers Kinn, um dich davon zu überzeugen, dass du es wirklich warst, musstest aber gleich darauf den Blick abwenden.
    Genau in diesem Moment huschte die Ärztin aus Selvaggias Zimmer, und du schrakst zusammen.
    Die vollbusige Frau, die ebenfalls über den Anblick dieses gespenstischen jungen Mannes zu erschrecken schien, ergriff sofort das Wort: »Es ist nichts Schlimmes«, sagte sie. »Nur eine vorübergehende, stressbedingte Unpässlichkeit. Für heute reicht es, wenn sie etwas heißen Tee trinkt und sich ausruht.«
    Â»Für heute? «, fragtest du verständnislos.
    Â»Ihre Schwester ist in anderen Umständen«, sagte Ludovica vorsichtig.
    Und obwohl sie sehr leise und bedächtig sprach, war es, als würde jedes Wort wie eine Kugel in deine Brust fahren.
    Du musstest dich an der Wand abstützen, um nicht das Gleich gewicht zu verlieren. Bestimmt waren deine Gesichtszüge ent gleist. Dein Magen zog sich dermaßen schmerzhaft zusammen, dass du die Zähne zusammenbeißen musstest.
    Â»Fühlen Sie sich nicht gut?«, fragte die Ärztin.
    Zögernd ging sie weiter, wobei sie dir zu verstehen gab, dass sie jetzt eure Eltern informieren werde. Du sahst zu, wie sie langsam mit schweren Schritten die Treppe hinunterlief und als eine ebenso majestätische wie gespenstische Gestalt im Erdgeschoss verschwand.
    O Gott, ogottogott! Was solltest du jetzt bloß tun? Was war denn das für eine furchtbare Katastrophe?
    Du starrtest auf Selvaggias offene Zimmertür. Am liebsten wärst du zu ihr gestürmt. Doch irgendetwas sagte

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