Die Alchemie der Naehe
unerträglich.
Nie wieder würden ihre Lippen deine berühren, nie wieder ihre Hände deinen Körper, nie wieder würdest du ihre wunderschönen Augen vor dir sehen, in denen du dich so oft verloren hattest, um ihnen ihr Geheimnis zu entreiÃen.
Nie wieder würden ihre Brüste deine Küsse herbeisehnen.
»Aber das wäre ja ein Schuldeingeständnis«, sagtest du. »Was wir für die perfekte, einzig mögliche Liebe gehalten haben, ist dann nichts weiter als ein von vorneherein zum Scheitern verurteilter Liebeswahn. Ist dir das eigentlich klar?«
Sie nickte fügsam. »Trotzdem. Unsere Liebe wird Zeugnis davon ablegen, was man uns alles Schlimmes angetan hat. Um darüber zu triumphieren, müssen wir aus dieser Welt gehen.«
»Du tust es also nur aus Rache! Aber aus Rache an wem? An Gott, an der Natur, an den Menschen? Oder aus Rache an der Leidenschaft, die uns zusammengeführt hat?«
Sie antwortete nicht darauf.
»Willst du dich an mir rächen?«, fragtest du und nahmst ihre Hände. »Weil ich unbedingt dein Herz erobern wollte?«
Jetzt weinte sie, und unter Tränen schluchzte sie leise, ihr Gesicht ganz nah vor deinem: »Ich liebe dich, mein Schatz, und weià nur, lieber Giovanni, dass ich so nicht weiterleben will. Ich will einfach nicht ⦠Ich bitte dich, ich flehe dich an â¦Â«
»Deine Verzweiflung wird sich wieder geben, mein Schatz«, versuchtest du sie davon abzubringen. »Du wirst sehen, wir finden schon eine Lösung, und wir werden es uns schön machen, auch ohne Kind â¦Â«
»Na gut« sagen. Dich zu guter Letzt fügen. Und Selvaggia, die zu dir aufschaut, in die Augen sehen, die so weit sind wie das Meer. Hören, wie sie »Danke« sagt. Und dann ein letztes Mal ihre Lippen mit deinen bedecken.
Und als der Kuss zu Ende ist und du wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt bist, lächelt sie unter Tränen, und du weiÃt, dass das der aufrichtigste Dank ihres Lebens ist.
Allmählich diese Kapseln in deiner Hand wahrnehmen, die euch in allertiefste Träume versetzen werden, das weiÃt du genau. Und dann noch ein letztes Mal diese leere weiÃe Hand betrachten â wohl wissend, dass es jetzt kein Zurück mehr gibt.
81
Sie tat es dir nach, ängstlich seufzend und zitternd. Dann lieà sie das Glas fallen, das auf dem FuÃboden zerschellte. Eng umschlungen lagt ihr da und wartetet. Während die Zeit verstrich und du dich dem Vergessen anheimgabst, hörtest du sie weinen, was neue Tränen in dir aufwallen lieÃ. Wie viel Liebe, wie viel Hingabe doch nötig waren, um so kläglich zu enden! Dieses Ende hattet ihr nicht verdient, das war deine feste Ãberzeugung. Aber ihr hattet es selbst so gewollt â auch das war deine feste Ãberzeugung â, vielleicht schon als ihr begonnen hattet, euch zu lieben. All eure Liebe hatte euch also an diesen Abgrund geführt? Hättest du das vorher gewusst, hättest du es tausendmal vorgezogen, sie nie in den Armen gehalten zu haben â auch wenn du sie dann niemals kennengelernt hättest. Und zwar nur damit dieses wunderbare Geschöpf leben konnte, diese mit dir zur Welt gekommene Seelenverwandte.
»Glaubst du, dass wir uns im Jenseits wiedersehen?«, fragte sie in den letzten Minuten ihres Lebens. Mit einem bereits erloschenen Blick starrte sie an die Decke. Du hast nicht darauf geantwortet.
»Sag es mir, Johnny! Sag mir, dass wir uns im Jenseits wiedersehen. Sag es mir, das brauch ich jetzt!«, rief sie und drückte deine Hand. Schon ganz benebelt von dem Schlafmittel beugtest du dich über sie, umarmtest sie mit letzter Kraft und küss test sie. »Ja, mein Schatz«, sagtest du leise. »Wir sehen uns wie der. Im Jenseits gibt es einen Ort für uns: für Geschwister, die sich lieben.«
Sie lächelte, und während sie sich an deine Schulter schmiegte, blieb das Lächeln auf ihren Lippen, während der Tod ihren kalten Körper einforderte.
Da hast du die Augen geschlossen und dich an sie gekuschelt.
Kurz bevor du eingeschlafen bist, hast du dir gewünscht, für immer von ihr zu träumen.
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