Die Alchemie der Naehe
so gut wie nichts wusstest wie deine Mutter, an der dein Vater aber aus irgendwelchen Gründen nach wie vor hing, immer noch lieber als eine der dreiÃigjährigen Sekretärinnen aus der Kanzlei oder eine Wildfremde.
Fast musstest du lachen bei der Vorstellung, dass du, der bisher tun und lassen konnte, was er wollte, ausgerechnet mit fast achtzehn wieder diese Mutter aufs Auge gedrückt bekommen würdest. Bestimmt würde sie dich an der kurzen Leine halten â wenn auch nicht im selben Haus, dann doch in unmittelbarer Nähe.
Aber du warst dir sicher, dass deine Eltern nach diesen ersten Schritten wieder unter einem Dach landen würden. Und irgendwo in dem zweistöckigen Haus würde auch deine Schwester wohnen. Bei dem Gedanken an diese Zukunft wusstest du wirklich nicht, was du von alldem halten solltest.
Dieser erste Samstag im Juni war jedenfalls der Moment, an dem Daddy Daniele und Mommy Antonella zum ersten Mal seit Jahren wieder zusammen essen gingen â keine fünf Tage nachdem deine Mutter und Selvaggia nach Verona gezogen waren. Sie waren noch dabei, sich in der Via Anfiteatro, unweit der Arena, häuslich einzurichten, während dein Vater und du weiterhin in eurem Haus mit Garten leben solltet, in dem du schon gewohnt hast, als es Opa Bruno noch gab (den Vater deines Vaters und letzten Ãberlebenden der GroÃeltern zum Zeitpunkt von Selvaggias und deiner Geburt). Wenn dir etwas Kopfzerbrechen machte, dann bestimmt nicht deine Schwester oder euer etwaiges Zusammenziehen â ihr wart schlieÃlich Geschwister, im selben Alter, und würdet euch schon vertragen. Es war eher die neue Beziehung zu deiner Mutter, die schwierig werden könnte, weil du nicht wusstest, mit welchen Gefühlen du sie in deinem Leben willkommen heiÃen würdest.
3
Es war halb sechs, und du kamst gerade ganz normal aus der Dusche, als du die Haustür und diese beiden Stimmen hörtest â eine männliche und eine weibliche, die jetzt, nachdem sie deinen Namen gerufen hatten, schwiegen, gefolgt von näher kommenden Schritten. Du hast einen Blick in den Spiegel geworfen und geahnt, dass sich von nun an so einiges ändern würde, doch dann hast du deine Pseudopanik wieder verdrängt, den Föhn angemacht und gehört, wie es an die Türe klopfte.
»Giovanni, bist du da?«, fragte die Stimme deiner Mutter.
Warst du da, Giovanni? Rein körperlich ja, aber galt das auch für deinen Verstand?
Deine Eltern öffneten jedenfalls die Tür, obwohl du nackt sein, duschen oder sonst was hättest tun können. Zum Glück fanden sie dich mit einem Handtuch um die Taille vor, und deine Mutter stürzte sich, ohne dir Gelegenheit zu geben, auch nur das Geringste zu erwidern, mit übertriebener Begeisterung auf dich, um dich zu umarmen.
Du hättest wetten können, dass dein noch feuchter Oberkörper einen Abdruck auf ihrem Kostüm hinterlieÃ: »Ciao, mamma« , hast du hervorgestoÃen, von ihren Armen halb erstickt. Mit den Augen hast du deinen Vater stumm um Hilfe angefleht, aber der zuckte nur lachend die Achseln und schob seine Brille im Fifties-Look zurück auf die Nasenwurzel. Dir blieb also nichts anderes übrig, als dich dem Ansturm ihrer Küsse zu ergeben, die nach teurem Lippenstift dufteten. Mit der Hand zerzauste dir die Mutter das nasse Haar und packte dich lachend am Handtuch. Du hast instinktiv aufgeschrien und das hellblaue Frotteetuch eng um die Taille geschlungen. Sie war zwar deine Mutter und sah dich bestimmt nicht zum ersten Mal nackt, aber ein Minimum an Privatsphäre, zumindest im Bad, war wohl wirklich nicht zu viel verlangt!
Deine Eltern brachen in Gelächter aus, steckten sich gegenseitig damit an, und nachdem sie dich gedrängt hatten, so schnell wie möglich ins Esszimmer zu kommen, machten sie die verdammte Tür zu, lieÃen dich in Ruhe und gingen wieder hinunter.
Doch du warst immer noch peinlich berührt, hast laut aufgeseufzt und dich so schnell wie möglich angezogen, um ein erneutes Eindringen in deine Privatsphäre sowie weitere unangenehme Ãberraschungen zu verhindern.
Im Esszimmer saÃen deine Eltern auf dem Sofa und tranken gekühlten Chardonnay, das Kostüm deiner Mutter war wirklich todschick, alles an ihr war dezent aufeinander abgestimmt. Diese Frau, die sich Antonella nannte, sah aus, wie du sie seit jeher in Erinnerung hattest â gut gekleidet und
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