Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
Wärters auf einen gemauerten Bogen, der eine kleine Nische bildete.
»Versteckt sich dahinten jemand?«
Der Wärter wies die Gefangenen an, aus dem Weg zu gehen, und schlug den Nächstbesten mit beiläufiger Brutalität. Ein Mann lag nahezu reglos und mit blutverkrustetem Gesicht zusammengerollt da.
»Da ist einer«, knurrte der Wärter. »Aber ich glaube nicht …«
»Endlich«, rief Chang aus und wandte sich um. »Das ist der Kerl. Nehmt ihn mit.«
Der Wärter folgte ihm mit seiner Last, während Chang sich zum ersten Gefängnisaufseher zurücktastete.
»Der Erzbischof ist zutiefst dankbar. Muss ich noch einmal unterschreiben?«
»Nicht nötig!« Der Aufseher notierte sich die Nummer des Gefangenen und riss dann vorsichtig eine halbe Seite heraus. »Ihre Vollmacht. Jederzeit gern zu Diensten.«
Chang nahm das Papier und nickte dem zusammengesunkenen Mann zu, der nur durch den grob zupackenden Wärter aufrecht gehalten wurde. »Ich benötige eine Kutsche – und diese Fesseln müssen ab. Er wird keinen Schaden mehr anrichten.«
»Aber Pater …«
»Keine Sorge. Als Erstes wird er die Beichte ablegen müssen.«
Sobald sich die Kutsche in Bewegung gesetzt hatte, riss Chang den Verband vom Kopf und wischte Cunsher damit das Blut und den Dreck vom Gesicht. Die Platzwunden über den Augen des Mannes und die Schwellungen um seinen Mund verrieten ein strapaziöses Verhör, doch Chang konnte keine ernsthafte Verletzung entdecken.
Chang tätschelte Cunshers Wange. Cunsher zuckte zusammen und rollte den Kopf auf die andere Seite. Seufzend schob Chang seine andere Hand unter Cunshers Mantel und kniff ihn fest in den Muskel, der über seine linke Schulter lief. Cunsher öffnete die Augen und wand sich vor Schmerzen. Chang zwang Cunsher, ihn anzuschauen.
»Mr. Cunsher … ich bin’s, Kardinal Chang. Sie sind in Sicherheit, aber wir haben nicht viel Zeit.«
Cunsher schrak zurück und nickte dann erkennend. »Wo bin ich?«
»In einer Kutsche. Was ist mit Phelps passiert?«
»Keine Ahnung. Man hat uns gemeinsam verhaftet, jedoch getrennt befragt.«
»Beim Palast?« Cunsher nickte. »Warum hat man Sie dann ins Marcelline gesteckt?«
»Die Offiziere, die uns geschnappt haben, waren Dummköpfe.« Cunsher tastete mit der Zunge nach losen Zähnen. »Haben Sie die ganzen Unannehmlichkeiten auf sich genommen, um mich zu finden?
»Ich habe nach jemand anders gesucht.«
Cunsher schloss die Augen. »Dass Sie überhaupt gekommen sind, ist schon ein Glück.«
Während die Kutsche zum Garden Circus fuhr, erzählte Chang, was passiert war, seit sie getrennt worden waren, wobei er den Verlust von Celeste Temple nur beiläufig erwähnte.
»Der Doktor ist mit dem Kind auf dem Weg zur Contessa, aber ich habe keine Ahnung, warum sie sich solche Mühe gegeben hat, außer um ihm dieses Gemälde zu zeigen.«
»Hat sie Ihnen das Gemälde nicht bereits gezeigt?«, fragte Cunsher. »Diese Glaskarte …«
»Aber das echte Bild muss der Kern von Vandaariffs Plänen sein.«
Cunsher blickte finster. »Dass man mich ins Gefängnis gesteckt hat, zeigt, für wie bedeutungslos mich meine Folterknechte gehalten haben – ein fremder Akzent ist ein nützliches Mittel, um sich ahnungslos zu stellen –, aber vermutlich gilt für Phelps das Gegenteil.« Cunsher presste die Gaze auf den nässenden Wangenknochen. »Entweder ist er noch im Palast, oder man hat ihn Vandaariff übergeben. Oder er ist – was am wahrscheinlichsten ist – tot.«
»Es tut mir leid.«
»Und mir tut es für Sie leid. Aber ich wollte Folgendes sagen. Phelps ist zum Herald gegangen …«
»Hat er herausgefunden, wo sich das Gemälde befindet?«
»In einem Salon in Wien.«
»Wien?«
»Ja, und der Grund, warum der Herald überhaupt darüber berichtet hat, war der Brand, dem der gesamte Häuserblock zum Opfer gefallen ist, ebenso wie sämtliche Kunstwerke im Salon. In Hinblick auf Veilandts Gesamtwerk wurde es nicht als Verlust betrachtet.« Cunsher verzog seine geschwollenen Lippen zu einem schelmischen Lächeln. »Für das Empire .«
Chang konnte es nicht glauben. Das Gemälde war zerstört? Was hatte die Contessa dann damit bezweckt, Svenson die Glaskarte zu geben?
»Wissen die anderen davon?« Er schüttelte den Kopf und korrigierte seine Frage. »Weiß Svenson davon?«
»Nein. Phelps hat es mir erzählt, als wir zum Brunnen gelaufen sind. Der Himmel weiß, wo der Doktor wirklich hingebracht wurde.« Cunsher verzog angesichts seines blutunterlaufenen
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