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Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Dahlquist
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zögernder. »Wissen Sie, die Dokumentenmappe befand sich in seinen Händen. Alles wurde vernichtet. Man hätte den armen Skoll wegen der Splitter für ein Stachelschwein halten können …«
    »Grundgütiger.«
    »Aber vielleicht können Sie ja Abhilfe schaffen. Pfaff ist ein kleiner Verbrecher, wenn auch für Seine Lordschaft von Bedeutung. Wird er denn hier festgehalten?«
    Der Gefängnisaufseher blickte hilflos zu der anwachsenden Schlange. Er schob Chang das Besucherbuch hin. »Wenn Sie bitte unterschreiben würden …«
    »Wie soll ich unterschreiben, wenn ich nichts sehen kann?«, murmelte Chang. Ohne eine Antwort abzuwarten, griff er ungeschickt nach dem Stift des Mannes und kritzelte gehorsam »Lucifera« hin, wozu er die halbe Seite benötigte.
    Dann setzte Chang seinen Weg vorsichtig tastend fort, zu einem weiteren Gefängnisaufseher mit einem weiteren Buch. Dieser fuhr mit einem tintenbefleckten Finger über die Seite. »Wann wurde er eingeliefert?«
    »Gestern Abend«, antwortete Chang. »Oder heute früh.«
    Der Gefängnisaufseher runzelte die Stirn. »Wir haben niemanden dieses Namens hier.«
    »Vielleicht hat er einen anderen angegeben.«
    »Dann könnte es jeder sein. Allein in den letzten zwölf Stunden waren es fünfhundert Seelen.«
    »Wo sind die Männer, die an der Seventh Bridge verhaftet wurden – oder beim Palast, oder bei St. Isobel? Sie wissen, welche ich meine. Von der Armee eingeliefert.«
    Der Gefängnisaufseher warf einen Blick in seine Unterlagen. »Trotzdem habe ich niemanden namens Pfaff.«
    »Mit einem ›P‹.«
    »Was?«
    »Bestimmt haben Sie diese Männer in ein oder zwei großen Zellen untergebracht.«
    »Aber wie wollen Sie wissen, ob er dort ist? Sie sehen ja gar nichts.«
    Chang fuhr mit der Stockspitze über die Fliesen. »Gott kann einen Schurken stets riechen.«
    Chang war dreimal im Marcelline gewesen und jedes Mal rechtzeitig ausgelöst worden, bevor die Behandlung zur regelrechten Folter ausgeartet wäre, und mit einem Schaudern stieg er die engen Stufen hinunter. Er ging nicht davon aus, dass ihn die Wachen erkannten – die Autorität eines Klerikers garantierte ihm automatisch Respekt –, doch ein scharfsichtiger Gefangener hätte alles Mögliche rufen können. Falls Chang erkannt wurde, könnte er alle Hoffnung fahren lassen.
    Die Gänge waren vom Schmutz ganz glitschig. Rufe ertönten, als er an den Zellen vorbeiging – Bitten um Hilfe, Protest von Unschuldigen, Schreie von Kranken. Er reagierte nicht. Der Weg endete vor einer ungewöhnlich großen, eisenverstärkten Tür. Der Wärter, der Chang dorthin geführt hatte, schlug mit seinem Knüppel gegen das Guckloch und brüllte, dass sämtliche Verbrecher namens Pfaff zehn Sekunden Zeit hätten, sich bemerkbar zu machen. Ein lautes Johlen war die Antwort. Ohne dem Beachtung zu schenken, brüllte der Wärter, dass der erste Mann, der behaupte, Pfaff zu sein und sich als Lügner erweise, vierzig Hiebe bekommen werde. In der Zelle wurde es ruhig.
    »Fragen Sie nach Jack Pfaff«, empfahl Chang. Er blickte zu den anderen Zellen im Gang und wusste, dass die Stimme des Wärters zu hören sein würde, falls Pfaff womöglich in einem anderen Bereich des Marcelline war. Gehorsam brüllte der Wärter den Namen. Es erfolgte keine Reaktion. Trotz der Gefahr, erkannt zu werden, blieb Chang keine Wahl.
    »Öffnen Sie die Tür. Lassen Sie mich hinein.«
    »Das kann ich nicht, Pater.«
    »Der Mann versteckt sich offensichtlich. Wollen Sie, dass man uns hinters Licht führt?«
    »Aber …«
    »Niemand wird mir etwas antun. Sagen Sie Ihnen, dass Sie jeden töten werden, der es versuchen sollte. Alles wird gut – entscheidend ist, den sündigen Geist zu kennen.«
    In der Zelle befanden sich mindestens hundert Männer, die wie auf einem Sklavenschiff zusammengepfercht waren. Der Wärter wagte sich hinein und schwang den Schlagstock, um Platz zu schaffen. Chang trat in einen Ring aus Gesichtern, die vor Blut und Schweiß glänzten.
    Pfaff war nicht da. Das waren die Flüchtlinge, die Chang in den Gassen und entlang des Flusses gesehen hatte und deren einzige Sünden Armut und Pech gewesen waren. Die meisten waren Opfer von Vandaariffs Waffe, durch Prügel gezähmt, nachdem die Glassplitter sie in einen Zustand der Raserei versetzt hatten. Chang bezweifelte, dass die Hälfte die Nacht überleben würde. Er streckte seinen Stock aus, und weil er nichts sehen konnte, bewegte er ihn hin und her, lenkte jedoch die Aufmerksamkeit des

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