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Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Dahlquist
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stellvertretende Minister Crabbé das Kommando. Jüngere Gesandte wie mein persönlicher Assistent Mr. Harcourt wurden vorgeschlagen, doch die eigentliche Politik muss beim Kronrat oder der Krone liegen. Die Königin ist allerdings alt, und der Herzog, der den Vorsitz des Kronrats innehielt, tot. Eine unbedeutende Person wie Lord Axewith mag seinen Platz einnehmen, aber wozu soll das gut sein? Die gesamte Regierung und auch die Industrie …«
    Miss Temple unterbrach ihn mit dem Vorschlag, er möge über das sprechen, was sie noch nicht wusste.
    In der nachfolgenden Pause räusperte sich Doktor Svenson und beschrieb Cunsher ausführlicher als einen Agent Provocateur , persönlich loyal gegenüber Phelps, in dessen Dienst er in Übersee gestanden hatte. Daraufhin nahm Phelps seine Erzählung wieder auf: Während er sich um die Genesung des Doktors gekümmert hatte – und dann der Doktor sich um seine –, hatte sich Mr. Cunsher an die Fersen ihrer Feinde geheftet. Ein Bericht über Cunshers Entdeckungen wurde erneut von Miss Temple unterbrochen – sie wusste Bescheid über das St. Royale und die Fabrik und das Institut und …
    »Sie wussten ja nicht, in welcher Gefahr Sie geschwebt haben!«, fauchte Phelps. »Schurken, die Ihr Hotel beobachten und die Männer in Ihrem Dienst überfallen!«
    »Wessen Schurken?«, fragte Miss Temple. »Die der Contessa oder Vandaariffs?«
    »Wir vermuten Letzteres«, sagte Svenson. »Nicht einmal Cunsher gelangt in die Nähe von Harschmort. Es ist ein bewaffnetes Lager. Die Intrige hat eine Geschichte über Blutfieber verbreitet, um Vandaariffs Gefangenschaft zu rechtfertigen, und man könnte zumindest eine Mitteilung über seine Erholung erwarten, damit er zurück ins öffentliche Leben kann – aber nichts dergleichen.«
    »Was ist mit der Contessa?«, fragte Miss Temple.
    »Nichts«, stieß Mr. Phelps hervor. »Keine Spur.«
    Der Turm verfügte über einen primitiven Schlafsaal mit sechs muffigen Betten, durch den jetzt Mr. Phelps’ Schnarchen hallte. Miss Temple spähte durch den Raum, konnte jedoch nicht erkennen, ob Svenson und Phelps schliefen, auch wenn sie davon ausging.
    Ein Traum hatte sie geweckt. Sie war in Harschmort gewesen und hatte vor dem holländischen Spiegel gestanden, nackt bis auf ein grünes Mieder. Jemand schaute von der anderen Seite durch den Spiegel, und sie spürte eine intensive Lust, als sie sich die hungrigen Augen vorstellte, während sie mit den Händen über die Rundung ihrer blassen Hüften strich. Sie fragte sich, wer es sein mochte, und drehte ihre Hinterbacken dem Spiegel zu. Jemand, den sie kannte? Chang? Provozierend beugte sich Miss Temple vor, griff sich zwischen die Beine … und als Reaktion hierauf, wie eine unvermeidliche Folge von Lust, veränderte sich der Raum. Der Spiegel war verschwunden, und nun waren die Nische dahinter und ihr Beobachter zu sehen. Hingestreckt auf einer Chaiselongue aus Samt lag mit toten Augen und grauer Haut der Leichnam von Eloise Dujong.
    Mit den letzten Spuren des Schlafs verschwand auch das leise Grauen. Aber während sie die Holzunterseite des Betts über sich anstarrte, die sich unter dem Gewicht von Mr. Brine durchbog, spürte Miss Temple nach wie vor das Verlangen aus dem Traum. Sie hatte einen sauren Geschmack im Mund – der Wein, vermischt mit ihrem eigenen verdorbenen Wesen – und strich in der Hoffnung mit der Zunge über die Zähne, ihr Begehren durch Ekel zu bezwingen. Aber das Verlangen wollte nicht nachlassen. Sie saugte die Innenseite einer Wange zwischen die Zähne und biss fest zu. Die anderen waren zu nah. Sie würden hören – sie würden riechen …
    Unter dem Rascheln der Unterröcke wälzte sich Miss Temple plötzlich vom Bett und tappte in den anderen Raum, stellte sich dicht an den Ofen und wippte auf kalten nackten Füßen hin und her. Sie zwang sich, an den Traum zu denken. Was hatte es zu be deuten, dass sie ausgerechnet Eloise ihre Lust offenbarte? Miss Temple war im Grunde nicht beschämt über ihr Verlangen, nur dass so viel dessen, was es beseelte, von einem fremden Bewusstsein stammte. Rührte ihr Gefühl von Ehrverlust mehr von ihrem Stolz her?
    Eloise war verheiratet gewesen. Sie hatte Männer geliebt – vielleicht sogar den Doktor in einer rohen Bretterhütte in dem Fischerdorf. Dieser Gedanke regte Miss Temples Vorstellungskraft an: Svenson, der mit seinem unrasierten Gesicht die blasse Haut über Eloises Brüsten küsst, das Kleid über die Oberschenkel hochgeschoben,

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