Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
verschlossen, bis auf die Flügeltür auf der gegenüberliegenden Seite des Brunnens. Diese eröffnete einen Blick in einen dämmrigen Raum mit einem niedrigen Schaltpult voller Knöpfe und Hebel. Chang machte einen Schritt und prallte mit dem Kinn gegen eine Glasscheibe im Türbogen – das Glas schien in einen Rahmen eingelassen zu sein. Er tastete es erst mit den Fingern und dann mit der Faust ab. Das Hindernis war zu dick, als dass man es ohne Hammer oder Axt hätte zerschlagen können.
Auf der anderen Seite des kleinen Raums war ein identischer Türbogen, wahrscheinlich ebenfalls von einer Glaswand abgesperrt, hinter der ein weiterer großer Raum lag, mit einer Reihe von Vandaariffs Maschinen, die mit fünf großen Porzellanwannen verbunden waren.
Chang wandte sich zum Brunnen um. Erwartete Vandaariff ernsthaft, dass er zwischen Orange und Blau wählte, wenn die falsche Entscheidung den Tod bedeutete? Und was zum Teufel bedeutete die richtige Wahl? In dem Raum in Raaxfall waren acht Karten aus strahlendem Orange gewesen, die ihn beinahe getötet hätten. Für Vandaariff hatte die orangefarbene Karte eine Art Komplettierung dargestellt …
Gib, und dir soll gegeben werden. Chang fischte die blaue Glas scheibe aus seiner Tasche, während er die Leitungen im Brun nen betrachtete … und sah direkt dort, wo der Wasserfluss in eine Spirale überging, zwei schmale Öffnungen im Glas …
Er steckte die Scheibe in den orangefarbenen Strom, und auf einmal wurde der Fluss unterbrochen; der Druck zwang die Flüssigkeit nach oben in ein bis dahin unbenutztes Glasrohr und in die Luft. Binnen Sekunden füllte es eine Wanne, die so tief war, dass er seine Hand hineintauchen konnte. Chang seufzte. Er legte den Messinghelm hin, schöpfte eine Handvoll orangefarbene Flüssigkeit heraus und hob sie an die Lippen.
Er würgte hörbar, stolperte mit tropfendem Kinn zurück und wedelte mit seinem tropfenden Handschuh, als hätte er sich verbrannt. Changs Augen verdrehten sich, sodass nur noch das Weiße zu sehen war. Er stürzte und streckte alle viere von sich wie ein Pferd. Sein Atem ging stoßweise, dann verstummte er, die offenen Augen zur Decke gerichtet.
»So folgsam wie ein Baby mit noch weichem Schädelknochen. Ein Ding, das es haben will, baumelt vor seiner Nase, und alles andere spielt keine Rolle mehr …«
Die schwache Stimme von Robert Vandaariff. Irgendwo hinter Chang öffnete sich eine Tür. Schlurfende Schritte. Die orangefarbene Flüssigkeit tröpfelte in ihre Wanne.
»Ein häufiger Irrtum … bei der Geburt sind die Knochen weich und erlauben den Übertritt der Essenz von einem Bereich zum anderen, unter dem entscheidenden, starken Druck , verbunden mit Absonderungen. Recht bald schließt sich die Öffnung, und die Ränder kalzifizieren – zumindest glauben das ein paar Dummköpfe …«
In Changs Sichtfeld traten mehrere Gestalten in weißen Umhängen und mit verhüllten Gesichtern. Eine Gestalt zu seinen Füßen hielt ein Tablett mit verkorkten Fläschchen …
»Doch der Schädel eines Erwachsenen beugt sich genauso wie der menschliche Geist, und diese Stelle – die Fontanelle – bleibt in jedem esoterischen System eine Fontäne, über die die Seelen in den Äther fliegen. Sogar eine so grobe Seele wie die hier.« Vandaariff lachte krächzend. »Kaum mehr als ein Tier in Hosen! Wie spät ist es?«
Der Mann mit dem Tablett antwortete: »Kurz vor Tagesanbruch, Milord.«
»Und unsere anderen Gäste? Unsere königliche Gesellschaft? Unser Aufseher? Unsere Braut? Die Virgo Lucifera?«
»Alle … auf halbem Weg, Milord … bis auf die Damen.«
»Weibliche Vektoren. Was ist mit unserem Scharfrichter ?«
Auf diese Frage erfolgte keine Antwort. Die Gehilfen in den Umhängen blickten nervös über Changs Körper hinweg. Ein durchdringendes Geräusch holte ihre Aufmerksamkeit zurück – Vandaariff pochte mit dem Stock.
»Nichts davon! Der Vertrag wird unterschrieben. Zur Maschine – er muss vorbereitet werden!«
Chang wartete, bis Hände ihn an Schultern und Beinen ergriffen. Er packte die Umhänge der Männer an den Schultern und riss so kräftig daran, dass ihre Köpfe mit einem scheußlichen Knall zusammenstießen. Mit kräftigen Tritten scheuchte er die Männer von seinen Beinen weg und stand auf. Der Akolyth mit dem Tablett wich zurück. Keiner von ihnen schien bewaffnet zu sein. Chang zückte das Silbermesser und sah sich nach Vandaariff um, bereit, es ihm in die Brust zu stoßen.
»Ich bin hier,
Weitere Kostenlose Bücher