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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Prolog
    Monk stand auf der Uferstraße und starrte auf die Lichter, die von dem in Dunst gehüllten Wasser der Themse reflektiert wurden, während sich die Abenddämmerung über die Stadt senkte. Er hatte seinen letzten Fall zur Zufriedenheit seines Mandanten gelöst, und in seiner Tasche steckten behaglich zwanzig Guineen. Hinter ihm rollten Karren und Kutschen durch den Frühlingsabend, und hier und da wurde das Klappern der Hufe und das Klirren der Geschirre von Lachen übertönt.
    Von hier war es zu weit, um zu Fuß nach Hause in die Fitzroy Street zu gehen, und ein Hansom war eine unnötige Ausgabe. Der Omnibus war genauso gut. Monk hatte keine Eile, denn Hester würde noch nicht da sein. Es war einer der Abende, an denen sie in dem Haus am Coldbath Square arbeitete, das mit dem Geld von Callandra Daviot eingerichtet worden war, um den Straßenmädchen, die sich – in der Regel, während sie ihrem Gewerbe nachgingen – Verletzungen oder Krankheiten zugezogen hatten, medizinische Hilfe zukommen zu lassen.
    Er war stolz auf die Arbeit, die Hester leistete, aber abends vermisste er ihre Gesellschaft. Es überraschte ihn, wie sehr er sich seit der Hochzeit daran gewöhnt hatte, Gedanken und Ideen mit ihr auszutauschen, sie lachen zu hören, oder einfach daran, aufzublicken und sie zu sehen. Hester verbreitete im Haus eine Wärme, die er vermisste, wenn sie nicht da war.
    Wie wenig das seinem früheren Ich ähnelte! Früher hätte er niemandem sein Innerstes offenbart, kein Mensch hätte ihm so wichtig werden dürfen, dass dessen Gegenwart über Glück und Elend seines Lebens bestimmte. Er war überrascht, wie sehr viel besser ihm der Mann gefiel, der er jetzt war.
    Der Gedanke an medizinische Hilfe und Callandras Unterstützung brachte ihn auf seinen letzten Mordfall und auf Kristian Beck, dessen Leben dadurch zerstört worden war. Beck hatte Dinge über sich und seine Frau erfahren, die nicht nur seine Weltanschauung auf den Kopf, sondern auch seine gesamte Identität in Frage gestellt hatten. Er war nicht derjenige, der zu sein er stets geglaubt hatte, seine Kultur, sein Glaube und der Kern dessen, der er war, waren ihm essenziell fremd.
    Monk konnte Becks Erschütterung und die lähmende Verwirrung, die ihn gepackt hatte, nur zu gut verstehen. Ein Kutschenunfall vor beinahe sieben Jahren hatte Monk seiner Erinnerung an die Zeit davor beraubt und ihn gezwungen, seine Identität neu zu erschaffen. Vieles hatte er aus unstrittigen Beweisen abgeleitet, und während einiges bewundernswert war, gab es doch zu viel, das ihm ganz und gar nicht gefiel und das wie ein Schatten auf dem noch Unbekannten lag.
    Selbst in seinem gegenwärtigen Glück plagte ihn das schiere Ausmaß seiner Unkenntnis von Zeit zu Zeit. Kristians vernichtende Entdeckungen hatten in Monk neue Zweifel geweckt und das schmerzliche Bewusstsein, dass auch er fast nichts über seine Wurzeln, über die Menschen und den Glauben, in dem er erzogen worden war, wusste.
    Er stammte aus Northumberland, aus einer kleinen Stadt am Meer, seine Schwester Beth lebte noch dort. Er hatte keinen Kontakt mehr mit ihr, was an ihm lag, zum Teil aus Angst vor dem, was sie ihm über ihn erzählen würde, zum Teil, weil er sich einer Vergangenheit, an die er sich nicht erinnerte, entfremdet fühlte. Er verspürte keine Verbindung zu jenem Leben oder dessen Sorgen.
    Beth hätte ihm von seinen Eltern erzählen können, vielleicht auch von seinen Großeltern. Aber er hatte sie nie danach gefragt.
    Sollte er jetzt, da es ihm drängender auf der Seele lag, versuchen, wieder eine Brücke zu ihr zu bauen, um etwas zu erfahren? Oder würde er – wie Kristian – herausfinden, dass sein gegenwärtiges Ich ganz anders war als seine Anlagen und er von seinem Volk abgeschnitten war? Vielleicht würde er, wie Kristian, herausfinden, dass ihre Moralvorstellungen mit seinen eigenen unvereinbar waren.
    Kristian war die Vergangenheit, an die er geglaubt und die ihm eine Identität gegeben hatte, aus den Händen gerissen worden, sie hatte sich als Fabel erwiesen, entstanden aus dem Willen zu überleben – leicht verständlich, aber kaum zu bewundern und nur schwer anzuerkennen.
    Würde Monk, falls er am Ende so viel über sich wüsste, wie die meisten Menschen ganz selbstverständlich über sich wissen – über religiöse Bande, Bindungen und Vorlieben und Abneigungen der Familie –, unter seiner Haut ebenfalls einen Fremden entdecken? Einen, den er womöglich nicht mochte?
    Er wandte

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