Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
Massen in Stropping zu meiden.«
»Das lässt sich einrichten.«
Svenson nickte und zog so stark an der Zigarette, dass Chang das Knistern des Papiers hören konnte. Chang seufzte, denn er fühlte sich verpflichtet, was ihm nicht gefiel.
»Ich wusste nichts von Eloise. Es tut mir aufrichtig leid.«
»Wir haben sie im Stich gelassen.«
Chang sprach leise. »Sie hat sich selbst ebenfalls im Stich gelassen.«
»Müssen wir uns nicht gerade dann auf unsere Freunde verlassen können?«
Stille machte sich zwischen ihnen breit, unterbrochen vom Rattern des Zugs.
»Ich habe keine Freunde, eigentlich.«
Svenson zuckte mit den Schultern. »Ich auch nicht. Vielleicht lassen wir uns alle auf diese Weise im Stich.«
»Doktor, diese Frau …«
»Rosamonde?«
»Die Contessa. Ich verspreche Ihnen, sie wird dafür bezahlen.«
»Das ist unter allen Umständen mein Ziel.« Svenson ließ den Stummel fallen und trat ihn mit dem Stiefel aus.
Auf dem Rückweg begegneten sie Miss Temple auf dem Gang, die eindeutig auf der Suche nach ihnen war.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Svenson.
»Ganz und gar nicht«, sagte sie. »Ohne Mr. Phelps und seinem ausländischen Agenten gegenüber respektlos sein zu wollen … aber … Sie beide … ich dachte, wir drei sollten vielleicht zusammenbleiben. Falls es Dinge gibt, über die wir reden sollten. Oder nicht?«
Chang sah, wie Cunsher sie vom anderen Ende des Waggons aus beobachtete. Als er erkannte, dass man ihn bemerkt hatte, zog er sich zurück.
»Was für Dinge?«, fragte Svenson.
»Ich weiß nicht«, antwortete sie. »Aber es ist so viel passiert, und wir haben noch nicht darüber gesprochen.«
»Wir haben nie gesprochen«, sagte Chang.
»Natürlich haben wir das! Im Boniface und in Harschmort und auf dem Luftschiff – und dann in Parchfeldt.« Sie begegnete seinem Blick, schluckte, konnte jedoch nicht weitersprechen. Svenson nahm Miss Temples Arm und zeigte auf das nächste Abteil, das leer war.
Sie setzte sich auf der einen Seite in die Mitte und überließ es somit Chang, sich neben sie zu setzen, was allzu dreist erschien, oder gegenüber, wo er sich am Fenster niederließ. Dann war Svenson an der Reihe, der sich ebenfalls auf Changs Seite setzte und einen Platz zwischen sich und Chang freiließ. Errötend blickte Miss Temple die beiden Männer abwechselnd an.
Sie nahm einen tiefen Atemzug, wie um ganz von vorn zu beginnen, stieß die Luft jedoch mit herabfallenden Schultern wieder aus. Svenson zückte sein Silberetui.
»Hatten Sie nicht gerade eine?«, fragte Chang gereizt.
»Sie schärfen den Verstand, wirklich.« Svenson ließ das Etui zuschnappen und klopfte dreimal mit der Zigarette darauf, zündete sie jedoch nicht an. Er räusperte sich und wandte sich steif an Miss Temple. »Es ist tatsächlich eine Weile her, seit wir drei zusammen waren. Die Zeit mit Sorge und Lina – obwohl Sie da nicht wirklich bei uns waren, nicht wahr, Celeste?«
»Sie haben mich beide allein gelassen!«
Chang verdrehte die Augen.
»Oh, ich weiß, Sie hatten Ihre Gründe«, fügte sie mit einer Ungeduld hinzu, die Chang ein Lächeln entlockte. Sie sah es und sprach mit einer Giftigkeit weiter, die normalerweise für ungehorsame Dienstmädchen reserviert war. »Ich habe es bereits zum Doktor gesagt, aber vielleicht könnten Sie berücksichtigen, dass ich die letzten fünf Wochen in dem Glauben verbracht habe, Sie beide wären durch meine Dummheit getötet worden. Es war eine schreckliche Bürde.«
»Wo wir jetzt am Leben sind, können Sie sich gewiss von der Bürde befreien. Wollen Sie unseren kleinen Bund auflösen und Ihrer Wege gehen, ist es das?«
»Gehen?« Sie starrte ihn an. »Wie? Wohin? Wir haben alle diese weißhaarige falsche Person gehört – dass Sie das Eigentum eines eifersüchtigen Mannes seien. Können Sie einfach gehen? Kann es der Doktor, nach Eloise? Kann ich es? Mehr halten Sie nicht von mir?«
Svenson räusperte sich. »Celeste …«
»Unsere Vereinbarung gilt. Bis zum Tod der Contessa. Bis zum Tod des Comte … in welchem Körper er auch stecken mag. Was danach geschieht, kümmert mich nicht.«
Ihre letzten Worte hatten eine dramatische Note, und die Männer wechselten verstohlene Blicke. Wieder reagierte Miss Temple wütend.
»Eloise ist tot, weil wir nicht stärker waren, und Sie beide – und ich – würden ebenfalls unter der Erde liegen, wenn nicht pures Glück im Spiel gewesen wäre. Wer soll denn unsere Arbeit tun? Wer sonst wird sie aufhalten?«
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