Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
Zeitungen berichteten von zwei weiteren Explosionen, im Circus Garden und bei der White Cathedral, und die Zahl der Opfer betrug mindestens tausend, weil beide Explosionen zu wildem Aufruhr geführt hatten. Eine andere Schlagzeile machte die unzufriedene Bevölkerung von Raaxfall dafür verantwortlich – man hatte einen Mann von dort erkannt, bevor ihn die Explosion vom Circus Garden getötet hatte. Miss Temple vermutete, dass der Mann einer von Vandaariffs Gefangenen war, den man als Waffe eingesetzt hatte. Das Ministerium hatte neue Maßnahmen angekündigt, um die nationalen Interessen zu schützen.
Vandaariff schloss die Zeitung. Falls er sich über seinen Erfolg freute, verriet seine kurze Befragung Foisons nichts davon.
»Ja, Milord. Die zweite Kutsche folgt. Ich habe den Kutscher angewiesen, über Grossmaere zu fahren, dort sind Husaren im Einsatz.«
»Sie haben eine Prellung im Gesicht.«
»Richtig, Milord. Kardinal Chang.«
»Sie ist hässlich.«
»Ich bemühe mich, weitere Verletzungen zu vermeiden.«
Vandaariff hielt inne, um zu prüfen, ob die Bemerkung anmaßend war. »Wir haben noch nicht über Ihr Versagen im Zollhaus gesprochen. Sechs Männer und Sie selbst – gegen zwei Männer und eine unbedeutende Frau. Und wie viele der sechs sind jetzt noch in meinem Dienst?«
»Keiner, Milord. Die Explosion …«
»Ich habe nicht um Entschuldigungen gebeten.«
»Nein, Milord.«
»Die Männer sind nicht zu gebrauchen. Ich muss mich jetzt auf Sie verlassen.«
Vandaariff schob einen Finger zwischen die schwarzen Vorhänge des Kutschfensters und spähte hinaus. Miss Temple wusste, dass sie besser den Mund hielt. Aber Vandaariff hatte sie in Verlegenheit gebracht, und während sie ihn anblickte – den welken Hals und die knotigen Hände –, spürte sie Hass in sich aufsteigen.
»Ich habe Ihr Gemälde gesehen.« Vandaariff blickte mit ausdrucksloser Miene auf. »Oh, ich wollte sagen, das Gemälde des Comte. Ich habe ganz vergessen, dass der Comte tot ist.«
»Allerdings«, bemerkte Vandaariff.
»Gott sei Dank. Was für ein widerlicher, abgeschmackter, geisteskranker und aufgeplusterter Irrer. Etwas an Ihrer Art erinnert mich irgendwie an ihn.«
»Knebeln Sie sie.«
Miss Temple lachte. »Wollen Sie nicht einmal wissen, welches Gemälde? Oder haben Sie es mir gezeigt? Sie sind sich Ihrer selbst so sicher …«
Foison schob ihr ein Tuch zwischen die Zähne, hielt jedoch auf ein Zeichen Vandaariffs inne. »Ich habe eine ziemlich große Sammlung der Arbeiten des Comte in Harschmort.«
Miss Temple spie das Taschentuch aus und bewegte ihren Kiefer.
»Gekauft für Lydias Hochzeit – ja, wie aufmerksam. Ist es St. Rowena und die Wikinger , das eine Vergewaltigung auf einem Altar darstellt? Und der Wikinger klammert sich an das Kruzi fix …«
»Das Gemälde haben Sie gemeint?«
»Nein, das Gemälde, was ich gesehen habe, war nicht in Harschmort. Es heißt Die chymische Hochzeit .«
Das Lächeln auf Robert Vandaariffs Lippen wurde sichtlich steifer.
»Sie können das Gemälde nicht gesehen haben. Es existiert nämlich nicht.«
Miss Temple grinste. »Vielleicht haben Sie es zu kaufen versucht und sind abgewiesen worden! Natürlich ist die Komposition verrückt – sie stellt eine Hochzeit dar –, aber, wie ich vermute, von Symbolen. Eine Allegorie.« Sie wandte sich an Foison. »Allegorien sind für Dummköpfe.«
»Dieses Gemälde wurde verbrannt.«
»Tatsächlich? Nun, das ist seltsam, denn die Braut darauf trägt eine Maske mit dem Gesicht der Contessa. Ist das nicht merkwürdig? Der Bräutigam ist schwarz wie Kohle, mit einem roten Apfel in der Hand, nur dass es nicht wirklich ein Apfel ist – eher ein schlagendes Herz, und es besteht vollständig aus rotem Glas …«
Foison schob ihr das Taschentuch fest zwischen die Lippen. Vandaariff beugte sich nach vorn.
»Schneller, als Sie es sich vorstellen können, Celeste Temple, werde ich Sie brauchen und auf einem Altar opfern. Darin hatte der Comte d’Orkancz völlig recht!« Vandaariff ließ sich zurücksinken. Er schloss die Augen und streckte eine zitternde Hand nach Foison aus.
»Die Flasche.«
Foison öffnete eine Tasche und nahm eine bauchige Flasche aus dunklem Glas heraus. Vandaariff trank daraus, und eine milchige Flüssigkeit lief ihm in einem dünnen Rinnsal übers Kinn. Er fuhr sich mit einem schwarzen Seidentaschentuch übers Gesicht, faltete es zusammen und wischte sich damit die Stirn.
Als er seine Gelassenheit zurückgewonnen
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