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Die Amazonen von Vanga

Die Amazonen von Vanga

Titel: Die Amazonen von Vanga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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das schwere Segel und drückte das Schiff tief ins Wasser. Die Amazonen waren gezwungen, sich festzuklammern, oder sie liefen Gefahr, über Bord gespült zu werden.
    »Schlagt die Taue durch!« brüllte Burra. Die anderen verstanden sie nicht. Erst als sie ihr Schwert hob und auf die Halteleinen einschlug, begriffen sie.
    Aber ihr Bemühen, das Segel loszuwerden, kam zu spät.
    Der Mast brach. Burra konnte nur aufschreien und die Arme schützend vor den Kopf legen, da wurde sie auch schon von einer Rahe erfaßt und auf die Planken geschleudert. Einen Schritt von ihr entfernt, schlug der Mast auf das Deck. Zweifellos hätte er sie zerschmettert.
    Das Segel breitete sich über Burra aus, deren Beine eingeklemmt waren. Sie konnte sich nicht selbst befreien.
    Plötzlich war nur Wasser um sie her und drang ihr in Mund und Nase ein. Als sie schon fürchtete, ertrinken zu müssen, wich unvermittelt die Last von ihr. Jemand zerrte das Segeltuch zur Seite und half ihr hoch. Der stechende Schmerz in den Lungen rief Burras schwindenden Lebensgeister zurück.
    »Wir müssen unter Deck«, schrie Gorma ihr ins Ohr, doch sie winkte ab, wollte nicht jämmerlich ersaufen wie die Ratten. Hier oben fühlte sie sich sicherer, wenngleich der Sturm mit eisernen Fäusten an ihr zerrte und der Geschmack des Salzwassers sie würgte.
    Im nächsten Moment erstarrte sie. Winzige blaue Flammen tanzten über das Schiff, verharrten überall dort, wo Eisen war. Der Bugspriet schien zu brennen. Selbst die Nässe, die es fast unmöglich machte, zwischen Luft und Wasser noch zu unterscheiden, vermochte dieses unheimliche Feuer nicht zu löschen.
    »Wir sind verloren!« jammerte Tertish.
    Das Schiff ächzte und stöhnte. Tief tauchte es in die Wellentäler ein, um schon im nächsten Moment auf schäumender Gischt emporgehoben zu werden.
    Ein heller Streifen zeichnete sich am fernen Horizont ab. Vorübergehend brach die Wolkendecke auf. Lichtfinger geisterten über die aufgewühlte See.
    Burra glaubte, daß sie das Schlimmste überstanden hätten, als ein lautes Splittern sie aufschreckte. Der Rumpf hielt den Brechern nicht länger stand.
    Sollte wirklich alles zu Ende sein? Die Amazone hatte viele Menschen sterben sehen und betrachtete den Tod als das unabwendbare Ziel fleischlichen Seins. Selbst das eigene Ende vermochte sie nicht zu schrecken, egal, ob das Schicksal sie heute ereilte oder erst in fünfzig Wintern. Was den Hader in ihr entfachte, war die Gewißheit, versagt und ihren Schwur nicht gehalten zu haben.
    Wie lange würde sie gegen die Kälte ankämpfen können, die ihre Muskeln lähmte?
    Ist das nicht unwichtig? fragte sie sich.
    Das Schiff sank. Wie ein Todesschrei erklang aus seinem Innern das Rauschen des einströmenden Wassers.
    Die Sonne, die sich inzwischen dem Abend zu neigte, brach durch die Wolken. Ihr Schein verwandelte die See in ein Meer flüssigen Kupfers.
    Aus diesem Licht kommend, wuchs eine riesige düstere Mauer vor Burra auf. Sie konnte nicht erkennen, was es war, nur daß es gigantisch die Wellen durchpflügte.
    Für einen Moment achtete die Amazone nicht auf ihren Halt. Eine Woge riß sie über Deck.
    Burra tauchte hinab in die unergründliche finstere Tiefe des Ozeans. Eine unheilvolle Stille umfing sie, bevor das dröhnende Rauschen in ihren Schläfen anschwoll.
    Sie wußte, daß sie sehr bald sterben würde, wenn es ihr nicht gelang, sich der schweren Rüstung zu entledigen.
    Ohne ihr Zutun kam Burra wieder an die Oberfläche, tief atmete sie ein. Durch den dichten Wasserschleier vor ihren Augen erkannte sie etwas wie eine Insel vor sich und, ebenfalls zum Greifen nahe, das sinkende Schiff.
    Dann schwanden ihr die Sinne…
     
     
    *
     
    Es war wie das Schweben auf luftigen Wolken - ein wohliges Gefühl, wenn auch die Kälte sich immer unangenehmer bemerkbar machte. Langsam glitt sie in die Höhe, erhob sich aus der stürmischen See auf trutzige Mauern.
    Das Wispern sphärischer Stimmen drang an ihr Ohr. Es dauerte lange, bis sie verstehen konnte, was sie sagten. Aber dann schälte sich die Erinnerung aus dem Nebel des Vergessens.
    Ich lebe noch, dachte Burra, und bin gerettet.
    »Es sind Amazonen«, hörte sie. »Wir sollten alle vier ins Wasser zurückstoßen; sie bringen uns nur Ärger.«
    »Haben wir sie deshalb vor dem Ertrinken bewahrt?«
    »Du weißt genau, daß wir hofften, Beute zu machen.« Die Stimme klang tief, aber bei weitem nicht so rauh wie die einer Kriegerin. Burra gelangte zu der Erkenntnis, daß

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