Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
Vom Netzwerk:
das Männchen Nr. 327, einziger Überlebender der ersten Jagdexpedition des Frühjahrs, allein weiter. Unerträglich allein.
    Seit einer Weile schon waten seine Beine durch Pfützen.
    Schlamm und schimmelige Blätter. Der Wind hat all seine Lippen ausgetrocknet. Staub hat seinen Körper in einen bernsteinfarbenen Mantel gehüllt. Es spürt seine Muskeln nicht mehr. Einige seiner Krallen sind abgebrochen.
    Aber am Ende der olfaktorischen Bahn, über die es zieht, erkennt es allmählich sein Ziel. Unter den Anhöhen, welche die belokanischen Städte bilden, ist eine, die mit jedem seiner Schritte größer wird, die riesige Pyramide von Bel-o-kan, die Mutterstadt, der duftende Leuchtturm, der es in seinen Bann schlägt und anzieht.
    Endlich kommt Nr. 327 am Fuße dieses imposanten Ameisenhügels an, hebt den Kopf. Seine Stadt ist noch größer geworden. Man hat mit der Konstruktion einer neuen Schutzschicht begonnen. Der Gipfel des Berges aus Zweigen kitzelt den Mond.
    Das junge Männchen läuft einen Augenblick suchend umher, dann findet es dicht über dem Boden einen noch offenen Eingang und zwängt sich hinein.
    Es war höchste Zeit. Sämtliche Arbeiterinnen und Soldatinnen, die draußen gearbeitet hatten, sind bereits zurück. Die Wärterinnen wollten schon die Ausgänge verstopfen, um die Wärme im Innern zu bewahren. Kaum hat es die Schwelle überschritten, machen sich die Maurerinnen an die Arbeit, und das Loch hinter ihm ist im Nu verschlossen. Fast wie eine Tür, die zuschlägt.
    Von der barbarischen und kalten Außenwelt ist nichts mehr zu sehen. Das Männchen Nr. 327 ist wieder in den Schoß der Zivilisation zurückgekehrt. Es kann wieder mit der beruhigenden Menge verschmelzen. Es ist nicht mehr allein, es ist zahlreich.
     
    Schildwachen kommen auf das Männchen zu. Sie habene s unter seinem Staubfilm nicht erkannt. Schnell stößt es seine Identifizierungsdüfte aus, die Posten sind beruhigt.
    Eine Arbeiterin bemerkt seine Müdigkeitsgerüche. Sie schlägt ihm eine Trophallaxie vor, diese rituelle Nahrungs-
    übermittlung aus ihrem Körper.
    Jede Ameise besitzt in ihrem Hinterleib eine Art Tasche, in Wirklichkeit ein zweiter Magen, in dem die Nahrung nicht verdaut wird. Der Sozialkropf. Dort kann sie Vorräte anlegen, die unbegrenzt frisch und einwandfrei bleiben und die sie jederzeit in ihren »normalen« Magen zurückbefördern kann.
    Oder sie würgt sie wieder hoch, um sie einer Artgenossin anzubieten.
    Die Gesten sind stets die gleichen. Die Spenderin spricht das Objekt ihres Trophallaxiewunsches an, indem sie gegen dessen Kopf klopft. Wenn jenes einverstanden ist, senkt es die Antennen. Reckt es sie ganz nach oben, bedeutet das Ablehnung, es hat keinen Hunger.
    Das Männchen Nr. 327 zögert nicht. Seine Energiereserven sind so sehr erschöpft, daß es kurz davor steht, in Katalepsie zu fallen. Sie pressen ihre Münder aufeinander. Die Nahrung steigt hoch. Die Spenderin befördert zunächst Speichel, dann Honigtau und einen Getreidebrei in seinen Mund. Das schmeckt gut und ist sehr stärkend.
    Die Gabe geht zu Ende. Sogleich löst sich Nr. 327. Ihm fällt alles wieder ein. Die Toten. Der Hinterhalt. Keine Sekunde zu verlieren. Er hebt seine Antennen und versprüht die Information in kleinen Tröpfchen in die Runde.
    Alarm. Es ist Krieg. Die Zwerginnen haben unsere erste Expedition vernichtet. Sie haben eine neue Waffe von verheerender Wirkung. Klarmachen zum Kampf. Der Krieg ist ausgebrochen. Die Schildwache weicht zurück. Diese Alarmierungsdüfte reizen ihr Hirn. Schon umringt eine Schar von Ameisen das Männchen Nr. 327.
    Was ist los?
    Was geht vor?
    Er sagt, der Krieg sei ausgebrochen.
    Hat er Beweise?
    Von überall strömen Ameisen herbei.
    Er spricht von einer neuen Waffe und einer dezimierten Expedition.
    Das ist schwerwiegend.
    Hat er Beweise?
    Nr. 327 befindet sich jetzt inmitten eines ganzen Klumpens von Ameisen.
    Alarm, Alarm, der Krieg ist ausgebrochen, klarmachen zum Kampf!
    Hat er Beweise?
    Diese Frage wird von allen gestellt.
    Nein, er hat keine Beweise. Er war dermaßen entsetzt gewesen, daß er nicht daran gedacht hatte, welche mitzubringen. Antennen rühren sich. Zweifelnde Kopfbewegungen.
    Wo ist das passiert?
    Westlich von Lachola-kan, zwischen dem neuen Jagdgebiet, das unsere Kundschafterinnen entdeckt haben, und unseren Städten. Eine Gegend, durch die die Zwerginnen häufig streifen.
    Das ist unmöglich, unsere Spioninnen sind zurück. Sie berichten ausdrücklich: Die Zwerginnen

Weitere Kostenlose Bücher