Die Ameisen
stundenlang verblöden. Abends im Schlafsaal fragten ihn Jean und Philippe, zwei andere Waisenkinder:
»Na, was ist mit dir passiert?«
»Nichts.«
»Erzähl schon. In deinem Alter kommt man nicht einfach so hierher. Wie alt biste überhaupt?«
»Ich weiß Bescheid. Sieht aus, als wär’n seine Eltern von Ameisen gefressen worden.«
»Wer hat euch denn den Quatsch erzählt?«
»Irgendwer, du Pimpf. Wer, das sagen wir dir, wenn du uns sagst, was mit deinen Eltern passiert ist.«
»Ihr könnt mich mal.«
Jean, der Stärkere von beiden, packte Nicolas an den
Schultern, während ihm Philippe den Arm auf den Rücken drehte.
Nicolas riß sich los und schlug Jean mit der Handkante auf den Hals (das hatte er in einem chinesischen Fernsehfilm gesehen). Jean fing an zu husten. Philippe mischte sich wieder ein und versuchte Nicolas zu würgen, doch der stieß ihm den Ellbogen in den Magen. Philippe sank auf die Knie und klappte zusammen. Nachdem er sich von diesem Angreifer befreit hatte, widmete sich Nicolas wieder Jean und spuckte ihm ins Gesicht. Jener tauchte ab und biß ihm die Wade blutig. Die drei jungen Menschen rollten unter die Betten und prügelten sich weiter wie die Kesselflicker. Letztlich war Nicolas der Unterlegene.
»Sag, was mit deinen Eltern passiert ist, oder wir geben dir Ameisen zu fressen!«
Das war Jean im Laufe der Keilerei eingefallen. Er fand die Idee nicht übel. Während er den Neuen auf den Boden preßte, sammelte Philippe einige Hautflügler ein, von denen es an diesem Ort nicht wenige gab, und hielt sie Nicolas vors Gesicht: »Da, das sind ein paar besonders fette!«
(Als ob die Ameisen, deren Körper von einem harten Panzer umgeben ist, Fett ansetzen könnten!)
Dann kniff er ihn in die Nase, bis Nicolas den Mund aufsperrte, und warf voller Abscheu drei junge Arbeiterinnen hinein, die wahrlich anderes zu tun hatten. Nicolas machte die überraschendste Erfahrung seines Lebens. Das schmeckte köstlich.
Erstaunt, daß er diese ekelhafte Speise nicht ausspuckte, wollten die anderen ebenfalls probieren.
Der Saal mit den »Flaschenkürbissen« ist eine der neuesten Errungenschaften von Bel-o-kan. Tatsächlich wurde die Technik der »Flaschenkürbisse« von den Ameisen des Südens übernommen, die mit der großen Hitze in einem fort nach Norden ziehen.
Selbstverständlich hat die Föderation im Zuge eines siegreich bestrittenen Krieges gegen diese Ameisen deren Kürbissaal entdeckt. Der Krieg ist die beste Quelle und der beste Verteiler von Neuerungen in der Welt der Insekten.
Im ersten Moment waren die belokanischen Legionen entsetzt, als sie … was sahen? Arbeiterinnen, die dazu verdammt waren, ihr ganzes Leben an der Decke zu hängen, mit dem Kopf nach unten und den Hinterleib dermaßen aufgebläht, daß er doppelt so groß war wie der einer Königin!
Die Ameisen des Südens erklärten, diese »geopferten«
Arbeiterinnen seien lebende Feldflaschen, imstande, unglaubliche Mengen von Nektar oder Honigtau zu konservieren.
Im Grunde hatte man nur die Idee des »Sozialkropfs« auf die Spitze treiben müssen, um auf die des »Ameisentanks« zu kommen – und sie in die Tat umzusetzen. Man brauchte bloß das Ende des Hinterleibs dieser lebenden Kühlschränke zu kitzeln, die daraufhin tröpfchenweise oder sogar in Strömen ihren kostbaren Saft abgaben.
Dank dieses Systems widerstanden die Ameisen des Südens der großen Trockenheit, die die tropischen Regionen immer wieder heimsuchte. Wenn sie auf Wanderschaft gingen, nahmen sie ihre Flaschenkürbisse mit und waren während der ganzen Reise bestens versorgt. Wenn man ihnen Glauben schenken konnte, schmeckten diese Kürbisse ebenso köstlich wie Eier.
Die Belokanerinnen raubten also die Technik der Flaschenkürbisse, waren jedoch vor allem daran interessiert, große Nahrungsmengen ungemein hygienisch und wirkungsvoll zu konservieren.
Sämtliche Männchen und sämtliche Weibchen der Stadt erscheinen in dem Saal, um Zucker und Wasser aufzunehmen.
Vor jedem der lebenden Flaschenkürbisse wartet eine lange Schlange geflügelter Ameisen. Nr. 327 und Nr. 56 trinken gemeinsam, dann trennen sie sich.
Nachdem sich alle Männchen und Weibchen und alle Artilleristinnen gestärkt haben, sind die Ameisentanks leer.
Eine Armee von Arbeiterinnen eilt herbei, um sie mit Nektar und Honigtau aufzufüllen, bis die schlaffen Hinterleiber wieder die Form kleiner schimmernder Ballons angenommen haben.
Nicolas, Philippe und Jean wurden von
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