Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition)
Roger musterte Thomas misstrauisch. „Warum fragst du? Was soll das? Er ist eben Student. Sehr nett und er hat Angelika ein paar Bücher vorbei gebracht und nichts weiter. Warum ist das wichtig? Er ist okay“, antwortete Roger verblüfft über Thomas' übermäßiges Interesse an Finn.
„Wozu brauchte er ein Schutzsiegel?“ Thomas' Blick war eindringlich und er wirkte bedrohlicher als zuvor. „Ob er es braucht oder nicht, weiß ich nicht“, erklärte Roger etwas schnippisch. „Er war in der Werkstatt und ich habe es ihm gezeigt. Es schien ihm zu gefallen, also habe ich es ihm geschenkt.“
Thomas blinzelte kein einziges Mal, starrte Roger noch immer unverwandt, ohne jede Regung in seinem harten Gesicht, an. Roger vermochte nicht zu sagen, was er dachte.
„Du hättest mir ruhig sagen können, dass das Siegel wirkungslos ist“, warf Roger dem Jäger vor, bemüht, seine Verärgerung aus der Stimme zu halten.
„Finn hat nichts von sich erzählt, oder?“, bohrte Thomas weiter nach, ohne auf Rogers Vorwurf einzugehen. So war Thomas eben. Seufzend lehnte sich Roger an die Werkbank. Ob der Jäger jemals auf andere Menschen und deren Gefühle Rücksicht nahm? Vermutlich nicht.
„Nein, warum sollte er auch, ich kenne ihn kaum. Du kannst ihn ja selbst fragen, wenn er zum Treyben kommt“, schlug Roger schließlich vor und versuchte erneut erfolglos in Thomas' starrer Maske eine Regung zu erkennen.
„Gut“, antwortete der jedoch nur. „Das werde ich tun. Und danke für die Messer, Roger.“ Damit wandte er sich um und ging wirklich. Roger sah ihm nach, als er zu seinem Auto ging. Ein einsamer, harter Mann, dachte er. Ob er überhaupt Freunde hat oder haben will? Thomas nickte Angelika zu, die auf die Veranda getreten war, bevor er einstieg und davonfuhr. Roger sah ihm nach, bis das Auto auf die Straße einbog. Kopfschüttelnd machte er sich wieder an seine Arbeit. Thomas hatte sich bedankt. Das kam wirklich selten vor. Vielleicht steckte doch ein wenig mehr Menschlichkeit in ihm, als es den Anschein hatte.
***
Das Tor schließen! Ich muss das Tor schließen!
Seine Gedanken rasten. Verzweifelt schüttelte Dave den Körper des jungen Menschen. Finns Arme schlackerten haltlos in seinem festen Griff und sein Kopf rollte von einer Seite zur anderen, aber er schlug die Augen nicht auf.
Die Energie aufhalten! Ich musste die Energie aufhalten, verhindern, dass sie ganz aus ihm fließt , dachte Dave panisch. Nur wie? Wie? Das hatte er noch nie getan. Es war nie nötig gewesen. Er nahm Energie, er gab sie nicht zurück. Aber wenn es ihm nicht bald gelang, würde Finn sterben und völlig hinüber gleiten in die Schwarze Leere. Ein entsetzlicher Gedanke. Der Schmerz in Daves Brust bei dieser Vorstellung war entsetzlich und extrem erschreckend. Das menschliche Herz in Daves Körper schlug hart und heftig, zog sich krampfhaft zusammen, wann immer er in das leblose Gesicht des jungen Menschen sah. Diese großen, hellbraunen Augen blieben geschlossen, würden sich womöglich nicht mehr öffnen, ihn nie mehr scheu und doch verlangend ansehen. Der Mund war leicht geöffnet; nie wieder würde er lächeln, ihn küssen, ihn berühren.
Was? Was sollte er nur tun?
„Finn!“, flüsterte Dave verzweifelt. „Finn, ich weiß nicht, was ich tun soll? Geh nicht, geh nicht. Komm zu mir zurück!“ Daves Blickfeld war merkwürdig verzerrt, es verschwamm, verschob sich und er fühlte Flüssigkeit aus seinen Augen hinab rinnen, heiß den Weg über die Wangen zu seinem Kinn finden. Dave zwinkerte, um wieder klar zu sehen, doch immer wieder verschwamm sein Blick merkwürdig. Erschrocken fuhr er sich mit der Hand durchs Gesicht und starrte fassungslos auf die durchsichtige Flüssigkeit, die an seinen Fingern hängen blieb. Wasser? Vorsichtig kostete er sie und runzelte bei dem salzigen Geschmack irritiert die Stirn. Was war das denn? Was geschah hier nur?
Verwirrung drohte ihn zu überwältigen. Zum ersten Mal in all den Jahrtausenden seiner Existenz fühlte er sich hilflos. Der Dämon in ihm kämpfte gegen den eigentümlichen Schmerz auf die einzige Art und Weise an, die er kannte, wollte brüllen, schreien, seine Krallen in etwas schlagen, töten, zerreißen, verschlingen, verzehren, nur um dieser Qual in ihm, diesen merkwürdigen, erschreckenden Gefühlen und Reaktionen seines Körpers zu entgehen. Daves Blick fiel auf den schlaffen Körper in seinen Armen.
Finn hatte zuvor nach ihm gegriffen, als er in der Leere zu
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