Die Ankunft
nicht erwähnt. Es gibt also keinen Grund zu fliehen. Und erst recht nicht, nach Südafrika zu gehen.«
Die beiden schwiegen und sahen mich fragend an, als warteten sie darauf, dass ich eine Entscheidung für sie fällte. Ich seufzte.
»Ich komme also als Opfer zurück nach Mullendorf und erzähle ihnen, was passiert ist. Euch lasse ich natürlich aus dem Spiel«, fügte ich schnell hinzu, bevor Leif, der schon den Mund geöffnet hatte, etwas sagen konnte. »Wenn klar ist, dass ihr aus dem Schneider seid, sage ich euch Bescheid und ihr tut so, als kämt ihr von einer Besorgung zurück, habt einen neuen Bagger für Straßenarbeiten gekauft oder so was.«
Leif nickte. »Es wird kein Bagger sein, aber vielleicht eine Leinwand und ein Beamer für das Clubhaus, damit wir dort Filmnächte veranstalten können. Ich dachte vielleicht an ein paar Klassiker aber auch an moderne Filme, vielleicht französische und vor allem britische …«
»Pass auf dich auf«, unterbrach Robert Leifs cineastische Pläne und sah mich eindringlich an. »Sie werden dich ausquetschen, bis nichts mehr von dir übrig ist. Wenn du Hilfe brauchst, bin ich sofort da.«
Ich nickte. »Danke, das ist nett, aber ich werde das schon hinkriegen. Ich setze meinen unschuldigen Dackelblick auf und niemand wird mir etwas vorwerfen.«
Leif lächelte. »Das kannst du gut, das habe ich bei der Arbeit in der Tankstelle auch schon gemerkt, nachdem du dachtest, ich sehe nicht, wie du heimlich …«
»Niemals!«, unterbrach ich ihn dieses Mal. »Wo treffe ich euch, um Bescheid zu geben?«
Sie nannten mir einen Ort in der Nähe von Moosberg, wo sie auf mich warten würden, dann verabschiedete ich mich und rannte zurück nach Mullendorf.
Ich hatte das Gefühl, meine Lungen wollten gleich bersten, so schnell und ohne Pause lief ich den ganzen Weg. Hätte ich auf die Uhr gesehen, wäre mir aufgefallen, dass ich gerade mal fünfzehn Minuten durch den Wald stürmte. Und auf der Karte waren es nur drei Kilometer, die ich zurücklegte. Doch mir kam es vor wie ein Marathon in Höchstgeschwindigkeit und mit Bleigewichten an den Füßen. Ich war fix und fertig, als ich schließlich ins Dorf wankte. Meine Sachen waren von den Zweigen im Wald zerrissen, meine Hände und mein Gesicht zerkratzt. Sie bluteten, obwohl die Wunden durch das Vampirblut viel zu schnell wieder heilten. Ich keuchte mich gerade bis zum Rathaus vor, als ich merkte, dass die ganze Mühe umsonst gewesen war.
Ein Menschenauflauf befand sich auf dem kleinen Vorplatz, im Zentrum stand Sven Heller, einer der Polizisten, die die Leiche von Vivianes Mutter bewacht hatten.
»Wir werden die Suche nach dem Monster beginnen und die besten Jäger darauf ansetzen. Sie müssen keine Angst um Ihre Schafe und Ziegen oder Katzen und Hunde haben oder was auch immer das Tier sonst noch frisst. Und es wird nie wieder einen Menschen anfallen.« Seine Stimme klang voller Zuversicht. »Die Tage dieses Monsters sind gezählt.«
»Was für ein Monster?«, fragte ich atemlos Gerd Palitzki, der am Ende des Auflaufs stand und aufmerksam lauschte. Sie meinten doch nicht etwa einen »meiner« beiden Vampire, Leif und Robert? Mir wurde wieder schlecht.
»Na, der Bär!«, sagte er. »Der Bär hat den armen Vizebürgermeister umgebracht. Das Genick von Matze hat er gebrochen und ihn zerfleischt. Als die Polizei eintraf, ist er geflohen. Matze sieht entsetzlich aus.«
»Der Bär?« Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte.
»Ja, der Bär.«
Seit einiger Zeit schlich ein Bär durch unsere Wälder, aber bisher hatte er nur Rehe oder Hasen erlegt und keine Menschen. Hatte er Matzes Leiche gefleddert? Das wären für uns phantastische Neuigkeiten, denn jeder schien zu denken, dass er den Mann getötet hatte, außerdem hatte er damit auch alle Spuren von uns beseitigt.
»Ist ja irre«, sagte ich mit einem zufriedenen Lächeln, wofür ich mir einen missbilligenden Blick von Gerd einfing. Schnell wischte ich das Lächeln aus meinem Gesicht und versuchte, betroffen zu wirken. Und genauer betrachtet, war es schon merkwürdig, dass sich der Bär an der Leiche zu schaffen gemacht hatte, kaum dass wir sie alleingelassen hatten. Waren Bären Aasfresser? Irgendetwas stimmte hier nicht. Doch ich wollte nicht weiter darüber nachdenken, sondern einfach nur dankbar sein. Denn der Bär hatte mir den größten Gefallen getan, den ich mir in dieser Situation denken konnte. Er hatte den Verdacht auf sich gelenkt und damit den Weg für Leifs und Roberts
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