Die Ankunft
wollte die Beherrschung verlieren, mich auf ihn stürzen und ihn in Stücke reißen, ungeachtet meiner reinen Seele. Wütend stopfte ich mir die Faust in den Mund und biss hart darauf. Hinter der verdammten Hecke konnte ich nicht das Geringste sehen.
Dann kam Katja zurück, gefolgt von Sam, und scheuchte mich zurück ins Haus. Sie knallte die Tür hinter sich zu, ging in die Vorratskammer und kam mit zwei Pfeffersprays zurück. Eines warf sie mir zu, das andere Sam.
"Wie viele hast du gezählt?", fragte sie Sam.
"Vier auf der Straße, plus den Anführer."
"Marcus. Auf der anderen Straßenseite stand ein Auto mit Hamburger Kennzeichen. Da saß einer drin. Er wird dazugehören, denn das Fahrzeug habe ich zuvor noch nie hier gesehen. Also sechs gesichtet, plus ein oder zwei Mann im Auto, die ich nicht gesehen habe. Am Grundstück gegenüber könnte er noch ein paar Leute postiert haben. Die hätten wir wegen der Mauer nicht sehen können, sie uns aber schon."
"Bis zu zehn Leute", sagte Sam blass. "Was sollen wir bloß tun?"
"Ich liefere mich aus", bot ich an.
"Kommt nicht in Frage", sagte Katja. "Du bist tot, sobald er dich in den Fingern hat."
"Aber Alexa..."
"Die wird er am Leben lassen, solange er noch etwas von uns will. Samuel, ruf deinen Vater an. Wir brauchen sofort Verstärkung."
Wie ferngesteuert nickte Sam und fischte sein Handy aus der Hosentasche. Während er auf Verbindung wartete, versuchte ich, durch ruhiges Atmen meine Panik zu beherrschen. Ich saß in der Falle, und wenn dieses Haus nicht einen geheimen Ausgang durch den Keller hatte, sah es ganz schlecht für mich aus.
Ich ging zur Terrassentür und spähte ins Freie. Die Wohnzimmerlampe beleuchtete ein blasses Rasenviereck. Drum herum war alles dunkel. Ich konzentrierte mich, so gut es in menschlicher Gestalt ging, auf meine Wolfssinne.
In den Schatten unter der Hecke kauerte eine Gestalt. Ich konnte das schwache Glitzern von Augen sehen, die zu mir hinüberblickten. Ich richtete meinen Blick an dem Eindringling vorbei in die Nacht, drehte mir eine Haarsträhne um den Finger und tat so, als würde meine Aufmerksamkeit wieder von dem Gespräch hinter mir im Raum beansprucht.
"Geh vom Fenster weg", zischte Katja.
"Gleich", sagte ich. "Warte. Da ist jemand."
"Genau! Das ist kein schusssicheres Glas, weißt du!"
"Hätten sie mich töten wollen, hätten sie schon längst einen Scharfschützen auf mich angesetzt und ich wäre tot. Nein, Marcus will mich lebend."
"Aber warum?"
"Katja, ich habe keine Ahnung."
Ich öffnete die Terrassentür einen Spalt. Es war eine Schiebetür älteren Modells, die sich schwerfällig auf ihren Schienen bewegte. Vorsichtig schob ich mich ins Freie, Katjas Warnung ignorierend. Ich tat, als würde ich die Umgebung ausspähen, und bewegte mich langsam über den erleuchteten Bereich hinaus in die Dunkelheit.
Aus dem Augenwinkel sah ich die Bewegung. Eine dunkle Gestalt schnellte auf mich zu. Ich riss die Arme hoch und traf ihn irgendwo am Kinn. Sofort sprang ich rückwärts.
Als er sich in das Lichtviereck wagte, erkannte ich einen halb verwandelten Werwolf. Seine haarigen Arme reichten ihm bis zu den Knien und endeten in langen Krallen. Sein Gesicht war eine verschlagene halbmenschliche Fratze, aus dem mich gelbe Augen böse anleuchteten.
Ich tat erschrocken und wich zurück. Er folgte mir. Schaum schlug Blasen vor seinem Maul, und er knurrte bösartig.
Ich deutete ein Stolpern an und machte einen großen Schritt rückwärts. In diesem Augenblick sprang er auf mich. Blitzartig war ich auf der anderen Seite der Terrassentür und schob sie mit aller Kraft zu.
Das war genau der richtige Augenblick! Sein Kopf war drin, der Rest draußen, und die Kante der Tür zerquetschte seinen Hals. Seine Krallen glitten hilflos von draußen über das Glas, und er heulte laut.
Mit aller Kraft hängte ich mich an die Terrassentür. Von hinten kam Sam angesprungen, eine Flasche Wein wie einen Baseballschläger in beiden Händen, und briet sie dem Werwolf über. Es knallte und splitterte. Platschend ergoss sich der Wein über den Fußboden. Der Werwolf im Türspalt erschlaffte.
"Schade um den schönen Jahrgang", sagte Katja. "Schnell. Sperren wir ihn ins Bad, bevor er aufwacht."
Wir fesselten unsere Beute mit allem, was wir fanden: Paketschnur, Klebeband und Handtücher, die wir in Streifen schnitten. Dabei machten wir eine interessante Entdeckung: An der verlotterten, zerfetzten Kleidung, die um seinen halb verwandelten
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