Die Ankunft
Werwolf. Ich schüttelte den Kopf und zog die Vorhänge zu. » Du solltest die Schlaftabletten nehmen, Spencer«, murmelte ich. Nachdem die Vorhänge zu waren, warf ich noch einen flüchtigen Blick auf das Zimmer, um sicherzugehen, dass der Schattenmann wirklich weg war, und schlüpfte dann wieder unter die Decke. Ich zog sie mir über den Kopf und zwang mich, gemächlicher zu atmen, eeeeeein und aaaaaaus, um mich zu beruhigen. Worum es sich bei dem Ding auch handelte, es war nicht mehr da. Doch war es mir so nahe gekommen. Viel näher als die vorherigen Male, als ich die Schattenmänner gesehen hatte – was mir zuvor nur als Werwolf passiert war. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Von meinem Beistelltisch aus ertönte ein Rattern und Brummen. Ich holte tief Luft, doch dann wurde mir zum Glück klar, dass das nur mein Handy war. Ich deckte mich ab und tastete auf dem Tischchen herum, bis ich mein Handy fand. Auf dem beleuchteten Display stand SPENCER . Ich klappte es auf und sah, dass ich eine Nachricht bekommen hatte.
2.34 Uhr: Em Dub, bist du wach?
Ich blinzelte die Nachricht einige Augenblicke lang an, denn – Moment mal – hatte ich Spencer nicht gerade draußen gesehen? Als Wolfsjungen? Ungeübt wie ich war, suchte ich nach den Buchstaben für die Antwort – und damit meine ich die Zifferntasten, Leute, wo man für das C dreimal das A drücken muss. Megan war die Einzige, die mich jemals anrief, und sie hasste es, SMS zu schreiben, weshalb ich das auch noch nie machen musste. Wie sehnte ich mich nach einem Smartphone, besonders, da es mir nicht gelang, keine kompletten Sätze zu schreiben. Das ist schon mal was. Als meine Fingerkuppen anfingen, mir wehzutun, war ich mit dem Tippen meiner Antwort fertig und sandte sie ab.
2.37 Uhr: Ja, ich bin wach. Ich dachte, ich hätte dich gerade draußen gesehen.
2.37 Uhr: Das war ich nicht. Ich bin in meinem Zimmer. Habe gerade einen Schattenmann gesehen. Er kam gerade auf mich zu, verschwand dann aber.
Meine Finger zitterten. Ich sah mich noch einmal im Zimmer um und erwartete, dass der Schattenmann nach mir ausholte, mich mit seinen eisigen Fingern packte. Er war nicht da. Doch er war da gewesen. Und er hatte seinen Besuch zwischen mir und Spencer koordiniert. Das hatte etwas zu bedeuten.
2.41 Uhr: Bei mir war es dasselbe. Nur ein paar Minuten, bevor du mir die SMS geschrieben hast. Er hat mich im Zimmer umhergejagt und ist dann verschwunden.
2.41 Uhr: Gruselig. Darüber müssen wir uns am Morgen unterhalten. Kann ich dich abholen?
2.43 Uhr: Ja. Noch was, Spencer. Ich habe draußen einen Werwolf gesehen. Es war keiner von uns, also muss es das Mädchen sein. Oder Dalton.
2.44 Uhr: Im Ernst? Was für eine schreckliche Nacht.
2.45 Uhr: Ja, stimmt. Schlaf jetzt, ok?
2.45 Uhr: Ok, Em. Bis morgen.
2.46 Uhr: Ok, ok.
O Mann. Hatte ich tatsächlich » Ok, ok« geschrieben? SMS würde mich umbringen. Oder einen normalen Teenager aus mir machen. Was auch immer. Ich klappte das Handy zu und legte es wieder auf den Tisch. Ich lehnte mich einen Augenblick lang zurück und starrte an die Decke, dann beugte ich mich über mein Bett, hob die heruntergefallene Lampe auf und schnappte mir Snoopy von dort, wo er kurzerhand hingeschleudert worden war. Meinen ausgestopften Hund im Arm schloss ich die Augen und versuchte, wieder einzuschlafen. Ich erwartete, dass Bilder von Schattenmännern oder Schlimmerem in meine Gedanken eindringen und mich wachhalten würden, doch mein Adrenalinpegel senkte sich, und die Schlaftablettenreste, die ich noch intus hatte, ließen mich erneut eindämmern und irgendetwas träumen, an das ich mich nicht erinnern würde.
2
Du bist so ein Streber
Am nächsten Morgen saß ich, die Knie gegen die Brust gedrückt, auf der Vordertreppe und wartete darauf, dass Spencer mich abholte. Ich war in ein Kapuzenshirt gehüllt, meine Brille saß fest auf der Nase, und neben mir lag mein Rucksack. Es war drei Tage her, dass ich die Nächtliche Emily oder die Wölfin gewesen war. Ich war wieder ganz ich selbst. Mehr oder weniger. Du bist nicht ganz du. Schon wieder die Stimme. Du weißt, dass du mich auch vermiss t .
Ihr meint, ich würde es seltsam finden, Stimmen zu hören, richtig? Na ja, seltsam war im Augenblick die Definition meines Lebens. Seltsamerweise fand ich es irgendwie gut, sie zu hören. Das half mir wortwörtlich dabei, mit mir Zwiesprache zu halten, während ich versuchte, etwas herauszufinden. Und sie hatte recht. Ich vermisste das
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