Jerry Cotton - Folge 2860 - Cotton, J: Jerry Cotton - Folge 2860
Phil und ich waren seit drei Tagen hinter Keith Garland her, als uns die Nachricht von seinem gewaltsamen Tod erreichte. Mein Partner und ich hatten in unserem Büro im 23. Stockwerk des FBI Field Office eine Stellwand aufgebaut. Dort waren Fotos von Garlands möglichen Komplizen sowie seinen sonstigen Kontakten befestigt.
Garland, den die New Yorker Unterwelt nur als »Einauge« kannte, weil eins seiner Augen aus Glas war, war an einem Raubüberfall auf einen Geldtransport beteiligt gewesen. Jedenfalls hatte sich seine DNA am Tatort angefunden. Garland war schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten, deshalb lag uns sein genetischer Fingerabdruck vor. Und da bei dem Raubüberfall auch US-Staatsanleihen erbeutet worden waren, hatte das FBI den Fall übernommen.
Auch die Medien waren eingeschaltet worden. Ein erkennungsdienstliches Foto von Einauge wurde von sämtlichen New Yorker Zeitungen veröffentlicht, auch das Fernsehen hatten wir in die Öffentlichkeitsfahndung einbinden können. Leider meldeten sich seitdem viele Wichtigtuer bei uns. Doch ein geschulter FBI-Agent merkt oft schon am Telefon, ob er es mit einem ernsthaften Zeugen oder einem Spinner zu tun hat.
Natürlich suchten Phil und ich nicht nur vom Schreibtisch aus nach Einauge. Wir waren in der South Bronx und in Hells Kitchen schon mit einigen üblen Burschen aneinandergeraten, denen wir Verbindungen zu dem Verdächtigen nachweisen konnten. Doch keiner dieser Typen hatte Garland Unterschlupf gewährt. Bisher fehlte jede Spur von Einauge.
In seinem Apartment hatten wir keine Hinweise auf seinen Verbleib gefunden. Auch sein Handy ließ sich nirgendwo auftreiben. Einauge hatte in einer miesen Absteige an der Bowery gewohnt, wo keine Fragen gestellt werden und kein Nachbar auf den anderen achtet. Dort hatte ihn angeblich seit Tagen niemand mehr gesehen. Aber die Zuverlässigkeit dieser Zeugen war mehr als zweifelhaft.
Das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte. Ich griff zum Hörer. »Agent Cotton.«
»Hier spricht Amy Russell, Jerry.«
Ich erkannte die Frauenstimme sofort. Amy Russell arbeitete beim NYPD. Sie war als Detective der Homicide Squad des 114th Precinct zugeteilt. Wir hatten in den vergangenen Jahren schon mehrfach erfolgreich mit ihr zusammengearbeitet.
Wenn sie anrief, dann gab es dafür gewiss einen wichtigen beruflichen Grund. Ich konnte die Anspannung in ihrer Stimme deutlich hören.
»Hallo, Amy. Wie kann ich behilflich sein?«
»Ich glaube eher, dass meine Kollegen und ich etwas für euch tun können, Jerry. Dieser Keith Garland steht doch neuerdings auf der FBI-Fahndungsliste, richtig?«
Mein Puls beschleunigte sich, als Amy den Namen des Verdächtigen erwähnte. Sollte es jetzt endlich eine heiße Spur geben? Normalerweise ist es kaum möglich, sich so völlig unsichtbar zu machen. Unsere Bemühungen um den Verdächtigen mussten früher oder später Früchte tragen.
»Ja, Phil und ich wollen den Kerl unbedingt erwischen.«
»Dafür ist es zu spät, er ist nämlich tot. Einauge hat sich eine Kugel eingefangen. Ich muss keine Gerichtsmedizinerin sein, um das beurteilen zu können. Ich bin gerade hier am Leichenfundort. Wenn ihr Zeit habt, dann kommt doch gleich vorbei.«
Das sicherte ich natürlich sofort zu. Sie gab mir noch die Adresse und beendete dann das Gespräch. Phil, der über Lautsprecher den Wortwechsel mitgehört hatte, schaute mich verblüfft an.
»Einauge ist erschossen worden? Glaubst du, dass wir ihn indirekt auf dem Gewissen haben, Jerry?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Du meinst, weil wir jeden Stein umgedreht haben, um ihn zu finden? Weil seine Komplizen ihn für immer zum Schweigen bringen wollten, bevor das FBI ihn kassiert? Einauge war unser Hauptverdächtiger, was den Raubüberfall angeht. Aber er hätte sich dem Gesetz stellen können, dann würde er wahrscheinlich noch leben.«
»Das sehe ich genauso, Jerry. Ich meinte nur, dass seine Kumpane nervös geworden sein müssen. Schließlich sind auf den Überwachungsvideos insgesamt drei maskierte Täter zu sehen. Sie haben sich alle wie absolute Profis verhalten, da waren wir uns doch einig. Das waren keine Amateure, keiner von den dreien.«
»Okay, aber vielleicht hat Einauges Ermordung ja auch ganz andere Gründe. Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen, bevor wir noch nicht einmal die Leiche gesehen haben.«
»Du hast recht, Jerry. – Wie auch immer, wenigstens können wir die hübsche Amy wiedersehen. Vielleicht trägt sie ja
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