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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Gesellschaft
zerstört, so dass im Raum um Yellowstone ein ausgedehntes
Machtvakuum entstand. Daraufhin wurden wir von der Demarchie
aufgefordert, eine Interimsregierung aufzubauen und Chasm City und
die Satellitengemeinden zu verwalten. Wir dachten, besser wir, als
eine von den anderen Parteien. Kannst du dir vorstellen, welches
Chaos die Ultras oder die Raumpiraten angerichtet hätten? Nun,
ein paar Jahre lang ging alles gut, doch dann verlangten die
Demarchisten Teile ihrer alten Macht zurück. Es gefiel ihnen
nicht, dass wir das ganze System unter Kontrolle hatten, und sie
waren nicht bereit, über eine friedliche Übernahme der
Regierung zu verhandeln. Also kam es zum Krieg. Sie haben ihn vom
Zaun gebrochen; darüber sind sich alle einig.«
    Galiana spürte, wie ihr der Jubel zwischen den Fingern
zerrann. Sie hatte gehofft, die Gerüchte würden sich als
übertrieben herausstellen. »Aber wir haben offenbar
gesiegt«, sagte sie endlich.
    »… Nein. Nicht unbedingt. Der Krieg ist nämlich
immer noch im Gange.«
    »Aber seither sind doch…«
    »Vierundfünfzig Jahre vergangen.« Skade nickte.
»Ja, ich weiß. Natürlich hat es immer wieder
Unterbrechungen gegeben, Waffenstillstände und kurze Phasen der
Entspannung. Aber sie waren nicht von Dauer. Die alten ideologischen
Gräben sind wieder aufgerissen wie nicht verheilte Wunden. Die
Demarchisten haben uns nie voll vertraut, und wir haben sie immer als
reaktionäre Maschinenstürmer betrachtet, die nicht
akzeptieren wollten, dass die Entwicklung der Menschheit in eine neue
Phase getreten war.«
    Zum ersten Mal, seit Galiana erwacht war, spürte sie hinter
den Augen einen seltsamen Druck wie vor einer Migräne. Und
plötzlich schoss aus dem ältesten Teil ihres
Säugetiergehirns ein Schwall von Urängsten nach oben, die
Panik eines Verfolgten, der weiß, dass ihm eine Horde von
schwarzen Räubern dicht auf den Fersen ist.
    Maschinen, sagte eine Erinnerung. Maschinen wie
Wölfe. Sie kamen aus dem interstellaren Raum und peilten deine
Abgasflamme an.
    Du hast sie Wölfe genannt, Galiana.
    Sie.
    Uns.
    Dann war es vorüber.
    »Aber wir hatten so lange gut zusammengearbeitet«, sagte
Galiana. »Sicherlich lässt sich wieder eine gemeinsame
Basis finden: Wir haben dringendere Probleme, als einen kleinlichen
Machtkampf um die Herrschaft über ein einzelnes System zu
führen.«
    Skade schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, dafür
ist es zu spät. Zu viele Tote, zu viele gebrochene
Versprechungen, zu viele Gräueltaten. Der Konflikt hat sich
ausgeweitet und alle Systeme erfasst, in denen Synthetiker und
Demarchisten leben.« Sie lächelte, aber das Lächeln
wirkte so gekünstelt, als würde ihr Gesicht sofort zu
seiner nichtssagenden Neutralität zurückkehren, wenn sie
die Muskeln entspannte. »Aber die Lage ist nicht ganz so
verzweifelt, wie du vielleicht glaubst. Wir steuern langsam aber
sicher auf einen Sieg zu. Clavain ist vor zweiundzwanzig Jahren
zurückgekehrt und hat sofort sein Gewicht in die Waagschale
geworfen. Bis dahin waren wir in der Defensive gewesen, wir hatten
den Fehler gemacht, uns wie ein echtes Kollektivbewusstsein zu
verhalten. Dadurch waren wir für den Feind sehr berechenbar
geworden. Clavain hat uns aus dieser Falle herausgeholt.«
    Galiana bemühte sich, die Erinnerung an die Wölfe zu
verdrängen und versetzte sich zurück in die Zeit, als sie
Clavain kennen gelernt hatte. Es war auf dem Mars gewesen. Er hatte
als Soldat in der Koalition für Neurale Reinheit gegen sie
gekämpft. Die Koalition hatte ihre Experimente zur
Bewusstseinserweiterung abgelehnt und die völlige Vernichtung
der Synthetiker für den einzig akzeptablen Ausgang jenes Krieges
gehalten.
    Doch Clavain hatte mehr Weitblick besessen. Als ihr Gefangener
hatte er ihr zunächst begreiflich gemacht, wie beängstigend
ihre Experimente für den Rest des Systems gewesen sein mussten.
Sie hatte das nie so recht einsehen wollen, doch Clavain hatte es ihr
in diesen langen Monaten immer wieder geduldig erklärt.
Später, nach seiner Befreiung, als man über die Bedingungen
für einen Waffenstillstand verhandelte, hatte er die
Demarchisten als neutralen Dritten ins Spiel gebracht. Sie hatten den
Waffenstillstandsvertrag aufgesetzt, und Clavain hatte Galiana so
lange bedrängt, bis sie ihn unterzeichnete. Es war ein
Meisterstück gewesen, das Fundament für ein Bündnis
zwischen Demarchisten und Synthetikern, das Jahrhunderte
überdauerte, bis die Koalition für Neurale Reinheit kaum
noch

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