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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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sollen.«
    »Chris ...«
    »Hältst du dich für meine Eigentümerin?« Er versuchte sich auf einen Ellbogen zu stützen und fiel mit einem rauhen Schmerzenslaut zurück. Mischa hielt den Atem an, bis er zur Ruhe gekommen schien. »Laß mich doch helfen«, sagte sie. »Bitte ... laß mich helfen.« Ihre Stimme bebte.
    »Laß mich allein.« Er drehte den Kopf zur Wand.
    Jan legte die Hand auf ihren Arm. »Mischa ...«
    Sie schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen.
    »Es ist zuviel für dich, Mischa. Es bringt dich um.«
    »Ich kann ihn nicht verlassen. Ich bin ihm zuviel schuldig.« Jan festigte seinen Griff um ihren Arm, als wollte er ihr etwas von seiner Kraft mitteilen.
    »Mischa .?« Chris war wieder bei klarem Bewußtsein, unschuldig und vergeßlich, und Mischas Kummer löste sich auf. »Ich bin hier.«
    »Hast du Schlaf bei dir?«
    Sie zog die Kapsel aus der Tasche. Seine Unruhe und sein Verlangen nahmen zu, und Mischa fühlte seine Enttäuschung, daß sie nur eine Kapsel hatte. »Mehr konnte ich nicht bekommen«, sagte sie. »Sie wollten es mir nicht geben.« Sie steckte ihm die Kapsel in den Mund. Er saugte sie gierig aus, und Mischa hatte ungewollt Anteil an dem Gefühl der sich windenden Fäden auf seiner Zunge und würgte vor Ekel. Bald wurde die Wirkung der Droge spürbar, und er veränderte sich abermals. Statt ihn einzuschläfern, schien die Kapsel eine belebende Wirkung auf ihn zu haben. Er sah Mischa mit ihren eigenen Augen. »Danke.«
    »Schon gut.«
    Bald darauf schienen seine Gedanken sich nach innen zu kehren. Eine so kleine Menge der Droge ließ ihn nicht schlafen, aber sie drängte ihn langsam durch Stadien der Erschöpfung zurück. Der Schmerz näherte sich ihm aus einer anderen Richtung.
    »Wann reisen wir ab, Mischa?«
    Einen Augenblick lang wußte sie nicht einmal, was er meinte. Dann drückte sie die Fingerspitzen gegen ihre Schläfen und konzentrierte sich auf die Kratzmuster des Steinbodens. »Bald«, sagte sie und hoffte, er werde die Lüge nicht heraushören.
    »Wann?«
    »Im Frühjahr. Sobald die Stürme vorüber sind. Vielleicht noch eher.«
    »Das ist gut«, murmelte er. »Das ist gut ...«
    Die Stille streckte sich wie ein gespannter Draht. Einst hatten sie über alles miteinander gesprochen, als das Gleichgewicht zwischen ihrem Geben und Nehmen beinahe ausgeglichen war. Es war die Zeit gewesen, als Mischa alt genug geworden war, um für sich selbst zu sorgen und für sie beide zu stehlen, bevor es mit Chris abwärts gegangen war, weil er sich auf diese endlose, abschüssige Bahn gezwungen hatte oder gezwungen gefühlt hatte.
    Mischa hörte, wie er sich regte, blickte auf und sah ihn mit zu-
    rückgerecktem Kopf liegen. Die Sehnen seines Halses zitterten. Unter der Decke, die sie ihm übergelegt hatte, krallte seine Hand sich ins Laken; er schien nach irgendeiner Empfindung zu suchen, die nicht mit dem Schmerz verbunden war. »0 Gott, Mischa, es tut weh ...« Eine Träne quoll unter seinen langen, feinen Wimpern hervor, rollte über den Backenknochen in sein Haar.
    Mischa würgte an einem Schluchzen, konnte es aber nicht zurückhalten.
    »Mischa ...«
    Als sie bemerkte, daß Jan zu ihr gesprochen hatte, wandte sie sich zu ihm um. Er saß an die Wand gelehnt, blickte auf seine Hände und krümmte und streckte die kräftigen Finger.
    »Es war nicht genug«, sagte er.
    Sie zuckte die Achseln. »Ich konnte nicht mehr bekommen.«
    »Was willst du machen?«
    »Ich weiß es nicht.« Ihr Geist war benommen und langsam, abgelenkt von Chris' wirren Visionen, und obwohl sie begriff, daß sie anfangen mußte, wieder in Begriffen des Zentrums und seiner Möglichkeiten zu denken, statt in Begriffen des Entkommens daraus, war der rückwärts gerichtete Übergang sehr schwierig.
    »In Gottes Namen, Mischa, ich biete meine Hilfe an! Willst du sie nicht annehmen? Es muß jemanden oder etwas in dieser Stadt geben, was sein Leiden erleichtern kann.«
    »Können Sie gehen?«
    Er zögerte. Neben dem Bett kauernd, krümmte Mischa sich noch mehr in sich hinein, als erwarte sie einen Streit.
    »Gut«, sagte er traurig. »Ich gehe.«
     
    Er verließ die Höhle, beunruhigt, daß Mischa mit Chris verbunden und doch allein war. Aber sie fürchtete so wenig, was ihr zustoßen mochte, daß ihm nichts übrigblieb, als ihre Bitte zu erfüllen. Er hätte mit ihr streiten können, wäre aber nicht weit damit gekommen.
    Die Lampen waren noch nicht heller geworden. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war, vermutete

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