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Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Titel: Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Wüllenweber
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Gesellschaft ist einer der wichtigsten Gründe, warum die Bedrohung übersehen wird. Man kann nicht erkennen, was man nicht benennen kann.
    Es ist nicht allein die Wortlosigkeit, die es erschwert, die Konturen der neuen Klassengesellschaft deutlich zu sehen. Die Deutschen in Ost und West hatten es sich abgewöhnt, ihre Gesellschaft in Kategorien wie Klassen oder Schichten einzuteilen. Die DDR lebte die Illusion der »sozialistischen Einheitsgesellschaft«. Die alte Bundesrepublik sah sich auf dem Weg in die »nivellierte Mittelstandsgesellschaft«. Die heutigen Westdeutschen sind in dem Bewusstsein aufgewachsen: Wir sind alle Mittelschicht, irgendwie.
    Für Amerikaner, Franzosen oder Engländer ist es selbstverständlich, feinste Klassenunterschiede wahrzunehmen. Den heutigen Deutschen mangelt es an Erfahrung. Doch die Gesichtsfeldverengung auf die Mittelschicht verhindert den Blick auf den Wandel, den diese Gesellschaft erlebt. Denn dieser Wandel vollzieht sich vor allem in der Ober- und der Unterschicht.
    Darum widmet sich der erste Teil dieses Buches der Frage: Über wen reden wir eigentlich? Was sind die zentralen Merkmale von Unterschicht und Oberschicht? Dabei wird deutlich: Die vorherrschenden Bilder der beiden Randmilieus sind geprägt von Mythen und Irrtümern. Mit der Realität haben sie nur wenig gemein.
    So ist die Oberschicht nicht die Leistungselite der Wirtschaft, wie viele noch immer glauben. Die einstigen Gründer und Unternehmenslenker entwickeln sich zu reinen Anlegern, die lieber ihr Geld für sich arbeiten lassen und dabei hohe Risiken eingehen. Die deutsche Geldelite ist auch keine vom Finanzamt verfolgte Minderheit, als die sie sich gerne darstellt. Im Gegenteil. Auf ihren breiten Schultern ruht nur eine leichte Steuerlast. Die Oberschicht überlässt die Finanzierung des Gemeinwesens weitgehend der arbeitenden Mittelschicht.
    Auf diese Weise sind in den vergangenen Jahrzehnten Billionen aus der Mitte nach ganz oben umverteilt worden. Dass diese gewaltige Vermögensverschiebung bislang nicht ins Bewusstsein der Gesellschaft vorgedrungen ist, hat auch etwas mit einem erstaunlichen kulturellen Wandel in der Oberschicht zu tun. Gesehen zu werden war einst ein wichtiges Privileg. Die Plätze auf der Bühne, auf dem Podest, in der ersten Reihe waren stets für die da oben reserviert. Heute hingegen versteckt sich die Geldelite in der Unsichtbarkeit ihrer Parallelwelt. Reichtum zeigt man nur entre nous. Die deutschen Reichen tun so, als gäbe es sie gar nicht.
    Weder Journalisten noch Wissenschaftlern ist es in den vergangenen Jahren gelungen, einen wirklichen Einblick in das Innenleben der Welt der deutschen Vermögenden zu bekommen. Auch mir nicht. Doch nicht zuletzt die Finanzkrise hat gezeigt, dass eine kleine, reiche Minderheit den Wohlstand der gesamten Gesellschaft gefährdet. Darum muss die Oberschicht, ihr Verhalten und ihre Wertvorstellungen ein Thema der öffentlichen Diskussion werden, auch wenn die Oberschicht sich dieser Debatte bislang beharrlich verweigert.
    Die Unterschicht hingegen versteckt sich nicht. Vor rund zehn Jahren war ich einer der ersten Journalisten, der über das neu entstandene Milieu am unteren Rand der Gesellschaft berichtet hat. Inzwischen habe ich viele Recherchereisen in diese unbekannte Welt unternommen und dabei stets erfahren: Auch das Bild von der Unterschicht beruht auf veralteten Klischees, auf Wunschvorstellungen und auf der Propaganda von Interessengruppen. So wird der Alltag in der Unterschicht gerade nicht von materiellen Entbehrungen geprägt, sondern von Spielkonsolen, Smartphones, Computern und vom Fernsehprogramm. Die materielle Armut hat der deutsche Sozialstaat besiegt. In Deutschland haben die Armen Geld genug.
    Dennoch ist die Benachteiligung der Unterschicht real und brutal. Doch sie ist grundsätzlicher und gemeiner, als fehlende Euros es ausdrücken könnten. Der Unterschicht wird etwas weitaus Wertvolleres vorenthalten: Teilhabe. Ihr zentrales Merkmal ist nicht Geldmangel, sondern mangelnde Bildung. Sie ist die Ursache nahezu aller Folgeprobleme: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Überforderung mit der Erziehung der Kinder. Der Graben zur Mittelschicht verläuft nicht entlang der ökonomischen Grenzen. Es ist eine kulturelle Spaltung.
    Wer die Gesellschaft jedoch in die Kategorien »arm« und »reich« einteilt, für den sind oben und unten Gegensätze wie schwarz und weiß – ein fundamentaler Irrtum. Tatsächlich beobachten wir an den

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