Die Augen der Toten 02 - Die Augen der Toten Teil 2
Und eine Speichelprobe. Weiß der Henker, was das jetzt wieder zu bedeuten hat.“
„Das wirst du wohl noch früh genug erfahren“, wiegelte Bernhard ab. „Rensing hat von einer Leiche im Aasee gesprochen -“
„Stefan Marcks.“ Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Eva die Hände vors Gesicht schlug und leise zu wimmern begann. Ihre Nerven schienen mehr denn je blank zu liegen.
„Der Stefan, mit dem Frank an seiner Doktorarbeit gearbeitet hat?“
„Wie es aussieht, hing er in der Sache mit drin.“
„Wofür ihn Gott zu strafen gewusst hat. Konnte man schon den Todeszeitpunkt bestimmen?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Hat Rensing mir nicht gesagt. Aber das kann ich nun wirklich nicht gewesen sein. Schätze mal, irgendwann letzte Nacht – da hab ich hier in einer Zelle gesessen.“
„Was dich nicht weniger verdächtig macht“, sagte Bernhard. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Polizei lange an einer Einzeltätertheorie festhalten wird. Schließlich gilt es ja auch noch, den Mord an diesem Kölner Journalisten unterzubringen.“
„Rensing hat dich also schon ins Bild gesetzt?“
„Wobei mir ehrlich gesagt nicht klar ist, wieso er da einen Zusammenhang zu erkennen glaubt. Warum auch immer – für dich ist das gut so. Man wird weiter suchen. Früher oder später wird man feststellen, dass du unschuldig bist.“
„Früher oder später“, wiederholte ich leise.
„Lass den Kopf nicht hängen.“ Eva zog geräuschvoll die Nase hoch und kramte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch. „Rensing ist ein guter Polizist.“
„Woher willst du das wissen?“
„Hoffen wir mal, dass es so ist. Und jetzt zu meinem Sohn. Wer ist bei Franks Selbstmord in der Wohnung gewesen?“
Ich wirbelte in Evas Richtung herum. „Du hast doch nicht etwa -?“
„Eva hat kein Wort über Franks Tod verloren“, unterbrach Bernhard mich sofort. „Manchmal redet man auch, wenn man schweigt. Frank war nicht allein, habe ich Recht?“
„Bernhard, ich -“
„Habe ich Recht, Philip?“
„Er kann den Camcorder nicht allein bedient haben. Jemand muss dabei gewesen sein.“
„Wer?“
„Ich weiß es nicht. Stefan vermutlich. Vielleicht auch Jan Lohoff.“
„Franks Mentor?“
„Ja.“
Bernhard stand auf und ging einige Schritte im Raum umher. Etwas schien ihm auf den Nägeln zu brennen.
„Philip, ich habe dich bislang nicht darauf angesprochen – ich wollte dich nicht noch mehr belasten -, aber Frank hat in dem Video auch über dich gesprochen. An mehreren Stellen fällt dein Name. Frank hat gesagt -“
„Ich weiß, was Frank gesagt hat. Er hat nicht mich gemeint, Bernhard. Ich habe die Kamera nicht bedient.“
*
Rensing legte den Kugelschreiber beiseite und betrachtete seine Zeichnung. Er hatte versucht, im Labyrinth der kreuz und quer verlaufenden Spuren für Ordnung zu sorgen. Ohne Erfolg.
Was, wenn der Mord an Pape mit den anderen Morden gar nichts zu tun hatte? Wenn er lediglich eine Art Startschuss darstellte? Eine seltene Sternenkonstellation, die es auszunutzen galt?
Jemand sieht in der Tragödie eine willkommene Chance. Jemand wittert Profit. Jemand greift zur Sense und mäht alles aus dem Weg, was zwischen ihm und dem Ziel seiner Wünsche steht. Er sucht sich Verbündete. Ja, er schart Anhänger um sich. Verteilt Aufgaben. Erteilt Befehle.
Er kommandiert .
Philip Kramers Worte kamen ihm wieder in den Sinn: „Es wird gemunkelt, jemand wolle sich Papes Geschäft unter den Nagel reißen.“
Deus Ex Machina? Walter Beekmann war der Großmeister der Bruderschaft. Beekmann ist tot.
Jemand klopfte.
„Nicht jetzt!“, rief Rensing.
Die Tür öffnete sich. Es war Bernhard Laurenz. „Ich will gar nicht lange stören, Herr Rensing. Ich wollte Sie nur kurz in Kenntnis setzen, dass ich für Philip einen Anwalt besorge.“
„Was“, fragte Rensing abwesend. „Ja, ja, ist in Ordnung.“
„Ich gehe dann jetzt. Sie haben ja meine Nummer, falls Sie mich erreichen wollen.“
„Ja, ja, ist gut.“
Die Tür schloss sich wieder.
Auf den Mord an Pape folgt Frank Laurenz´ Selbstmord. Jemand übt dabei Druck aus, und Laurenz gibt auf. Er opfert sich. Für was? Für wen ?
Die Videobotschaft. Die versteckten Hinweise.
Rensing erstarrte.
Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.
Er schoss von seinem Stuhl hoch, riss die Tür auf und stürmte den Gang entlang.
Ein gebrochener Mann
Er hatte keine Zeit gehabt, sich eine Strategie für das Gespräch mit Frank Laurenz´
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