Die Augen der Ueberwelt
polierten mit größtem Eifer weiter.
Cugel beobachtete sie eine Weile, dann ging er auf den Aufseher zu. Das war ein Mann von etwa drei Fuß, der an einem Pult stand und die vor ihm ausgebreiteten Pläne durch ein ungewöhnliches Gerät mit den entstehenden Werken verglich. Er schien alles gleichzeitig zu bemerken, erteilte Befehle, schalt, warnte vor auch nur den geringsten Fehlern und wies die weniger Geschickten an, wie sie ihr Werkzeug handhaben mußten. Um seine Ausführungen klar verständlich zu machen, benutzte er einen wundersam dehnbaren Zeigefinger, den er dreißig Fuß und länger ausstrecken konnte. Mit ihm tupfte er auf einen bestimmten Steinteil oder kratzte einen Plan in den Boden, dann zog er ihn wieder zusammen.
Als der Aufseher offenbar im Augenblick mit dem Fortschritt der Arbeiten zufrieden war, trat Cugel zu ihm. »Was sind dies für erstaunliche Werke, und was ist ihr Zweck?«
»Die Werke sind, wie Ihr sie seht«, antwortete der Aufseher mit aufdringlicher Stimme. »Aus lebendem Fels hauen wir bestimmte Formen, genau nach dem Wunsch des Zauberers Pharesm ... Aber nein, nein!« Der Ruf galt einem Mann, etwa drei Fuß größer als Cugel, der mit der Spitzhacke auf das Gestein einschlug. »Ich spüre Selbstüberschätzung!« Der Zeigefinger schnellte vor. »Du mußt an diesem Punkt größte Vorsicht walten lassen! Siehst du denn nicht, daß der Stein zum Zerspringen neigt? Schlag hier mit sechsgradiger Stärke senkrecht mit nur halbem Klammergriff. An diesem Punkt genügt ein viergradiger Hieb waagrecht. Dann mußt du den Keil mit einem Viertelmaßeisen herausstemmen.«
Als der derart Belehrte seine Arbeit richtig machte, studierte der Aufseher wieder seine Pläne und schüttelte unzufrieden den Kopf. »Viel zu langsam! Die Männer arbeiten, als wären sie halb betäubt, und einige stellen sich unbeschreiblich dumm an. Erst gestern benutzte Dadio Fessadil – der drei Ellen große, dort mit dem grünen Halstuch – ein neunzehner Gefriereisen, um die Maserung eines kleinen, eingerollten Kleeblatts auszuarbeiten!«
Cugel schüttelte den Kopf, als könnte er eine so unverzeihliche Ungeschicklichkeit nicht verstehen. »Wozu eigentlich diese ungewöhnliche Felshauerei?« erkundigte er sich.
»Das weiß ich nicht«, antwortete der Aufseher. »Seit dreihundertachtzehn Jahren arbeiten wir schon hier, doch nie hat Pharesm dem Zweck Ausdruck verliehen. Aber es muß sich wohl um einen ganz bestimmten und bedeutenden handeln, denn Tag für Tag sieht er hier höchstpersönlich nach dem Rechten, und ihm entgeht nicht der geringste Fehler.« Er drehte sich um wandte sich an einen Arbeiter, der Cugel bis zu den Knien reichte und seine Zweifel über die Tiefe bestimmter Rillen äußerte. Der Aufseher zog einen Plan zu Rate und klärte die Sache, dann nahm er sich wieder Zeit für Cugel und musterte ihn eingehend.
»Ihr scheint mir sowohl scharfsinnig als auch geschickt zu sein. Hättet Ihr nicht Lust, hier zu arbeiten? Uns mangelt es an mehreren Handwerkern der Halbellengröße, oder wenn Ihr etwas Beeindruckenderes vorzieht, nun, wir können auch einen Steinbrechergesellen von sechzehn Ellen brauchen. Eure Statur läßt sich nach Belieben anpassen, und die Aufstiegsmöglichkeiten sind gleich. Wie Ihr seht, bin ich ein Mann von vier Ellen. Schon nach einem Jahr hier wurde ich Stocher, drei Jahre später Füllformer, nach zehn weiteren Unterzeigner, und seit neunzehn Jahren bin ich bereits Hauptzeigner. Mein Vorgänger war zwei Ellen groß, und der Hauptzeigner vor ihm war ein Mann von zehn Ellen.« Er fuhr fort aufzuzählen, wie lohnenswert diese Arbeit für den Handwerker war. »Alles ist frei hier: Verpflegung, Unterkunft, Traumbringer nach Wahl, der Besuch des Nymphariums, Pharesms Hilfe als Seher und Dämonenaustreiber, und noch vieles andere, zusätzlich eine Vergütung von zehn Terces pro Tag. Pharesm unterhält auch eine Bildungsstätte, in der alle ihr Wissen erweitern dürfen. Ich beispielsweise studiere Insektenkunde, die Heraldik der Könige des Alten Gromaz, Wohlgesang, Muskelbeherrschung und Grundsatzlehre. Nirgendwo werdet Ihr einen großzügigeren Arbeitgeber als Pharesm, den Zauberer, finden.«
Cugel unterdrückte ein Lächeln bei dieser Überschwenglichkeit des Hauptzeigners. Da sein Magen vor Hunger knurrte, wies er das Angebot nicht kurzerhand ab. »An eine Laufbahn dieser Art hatte ich noch nie gedacht. Ihr führt da Vorzüge auf, von denen ich nichts ahnte.«
»Das liegt daran, daß
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