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Die Augen der Überwelt

Die Augen der Überwelt

Titel: Die Augen der Überwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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noch vergnügen sollten?«
    »Nicht den geringsten«, antwortete Zhiaml Vraz. »Solange ich nicht verheiratet bin, kann ich tun, was ich mag. So ist es bei uns Sitte.«
    »Ausgezeichnet«, freute sich Cugel. »Möchtest du vorausgehen oder unbemerkt nachkommen?«
    »Wir gehen zusammen. Heimlichtuerei ist unnötig.«
    Sie begaben sich in Cugels Gemach und gaben sich diversen erotischen Übungen hin, wonach Cugel in den Schlaf völliger Erschöpfung fiel, denn es war ein anstrengender Tag für ihn gewesen.
    Irgendwann wachte er kurz auf und bemerkte, daß Zhiaml Vraz nicht mehr neben ihm lag. In seiner Schläfrigkeit beunruhigte ihn dies nicht, und er träumte sogleich weiter.
    Erst das Knallen der heftig zurückgeworfenen Tür riß ihn aus dem Schlaf. Er schoß hoch und stellte fest, daß die Sonne noch nicht aufgegangen war und eine vom Ältesten geführte Abordnung ihn voll Abscheu musterte.
    Der Älteste deutete mit einem langen, zitternden Finger durch das Dämmerlicht. »Mir war, als spürte ich ketzerische Neigung. Nun stellt sie sich als Tatsache heraus! Seht, er schläft weder mit Kopfbedeckung noch mit geweihter Salbe auf dem Kinn. Auch meldet das Mädchen Zhiaml Vraz, daß er nicht einmal während ihres Beisammenseins den Segen Yeliseas erflehte!«
    »Ketzerei, ohne Zweifel!« riefen die anderen der Abordnung. »Was kann man von einem Ausländer schon anderes erwarten?« sagte der Älteste voll Verachtung. »Seht! Selbst jetzt weigert er sich, das heilige Zeichen zu machen!«
    »Ich kenne euer heiliges Zeichen nicht!« rief Cugel. »Ich kenne überhaupt keine Eurer Sitten und Gebräuche! Es ist reine Unwissenheit, nicht Ketzerei!«
    »Das glaube ich nicht«, wandte der Älteste ein. »Erst gestern Abend erläuterte ich das Wesen der Orthodoxie.«
    »Der Zustand ist ernst«, sagte einer in unheilvoll schwermütigem Ton. »Ketzerei entsteht nur durch die Zersetzung des Sitzes der Korrektheit.«
    »Das ist ein unheilbares, zum Tode führendes Leiden«, warf ein anderer nicht weniger düster ein.
    »Wie wahr! Wie wahr!« seufzte einer neben der Tür. »Der Bedauernswerte!«
    »Kommt!« rief der Älteste. »Wir müssen uns der Sache sofort annehmen!«
    »Bemüht Euch nicht«, wehrte Cugel ab. »Gestattet mir, mich anzukleiden, dann werde ich Euer schönes Dorf sofort verlassen und nie wiederkehren.«
    »Damit Ihr Euren schändlichen Irrglauben anderswo verbreitet? Keinesfalls!«
    Und nun packten sie Cugel und zerrten ihn nackt aus der Kammer. Durch den Park schleiften sie ihn zu dem runden Säulenbau in der Mitte. Einige der Männer errichteten rund um Cugel einen Zaun aus Pfosten auf der Plattform des Säulenbaus. »Was macht ihr hier?« rief er. »Ich will nichts mit euren Ritualen zu tun haben!«
    Man beachtete ihn überhaupt nicht, und so spähte er zwischen den Zaunpfosten hindurch und sah, wie einige der Männer einen Heißluftballon aus grünem Papier hochließen, unter dem drei grüne Feuer brannten.
    Der Morgen graute. Nachdem offenbar alles zu ihrer Zufriedenheit hergerichtet war, zog die Abordnung sich an den Rand des Parks zurück. Cugel versuchte, die Plattform zu verlassen, aber der Zaun war so hoch und die Zwischenräume zu schmal, daß er hätte darüberklettern, beziehungsweise sich hindurchzwängen können.
    Der Himmel wurde heller, und hoch oben brannte das grüne Feuer. Die Arme überschränkt auf die Brust gedrückt und in der Morgenkälte fröstelnd, stapfte Cugel in seinem Pferch hin und her. Erschrocken blieb er stehen, als er aus der Ferne die aufwühlende Musik hörte. Am Himmel erschien ein Geflügelter mit flatternden Schwingen und weißen Gewändern. Und dann ging er zum Sturzflug über. Cugels Knie wurden weich. Der Geflügelte fing sich über dem Pferch, dann tauchte er tiefer, hüllte die weißen Gewänder um Cugel und wollte sich mit ihm wieder in die Lüfte heben. Doch Cugel klammerte sich an einen Pfosten, und der Geflügelte flatterte vergebens. Der Pfosten knarrte, krächzte, knickte. Cugel kämpfte sich aus der weißen Hülle und riß mit aller Kraft an dem Pfosten, bis er schließlich ganz abbrach. Mit der so gewonnenen Waffe stach Cugel nach dem Geflügelten. Die Pflockspitze bohrte sich durch das weiße Gewand, und der Geflügelte schlug mit einer Schwinge auf den Widerspenstigen ein. Cugel packte eine der Chitinrippen und drehte sie nach hinten, daß sie knackte und brach und der Flügel schlaff hing. Verstört machte der Geflügelte einen Riesensatz, der sowohl ihn als

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