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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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wahrscheinlich auch noch durch die Wand hinter ihm. Ed beobachtete sie minutenlang, registrierte jeden Lidschlag. Mehr als dieses unwillkürliche Blinzeln kam nicht. Er fühlte sich, als säße er einer Toten gegenüber. Und von ihm erwartete man, daß er sie noch einmal zum Leben erweckte, aber er konnte keine Wunder vollbringen. Er sprach sie an, sprach die ganze Zeit auf sie ein in gleichbleibend ruhigem Ton, erinnerte sich später nicht einmal mehr genau, worüber er gesprochen hatte. Über Sinn und Ziel einer Therapie wahrscheinlich und darüber, wie Patient und Therapeut das Ziel in gemeinsamer Arbeit erreichen konnten. Darüber sprach er beim erstenmal immer. Das Tonbandgerät lief, abhören mußte er es später nicht, weil außer seinen Worten nichts darauf war. Kein Zugang zur Patientin, notierte Ed nach der ersten Sitzung mit ihr. Anschließend sprach er noch einmal mit Paul Großmann. Ein langes Gespräch, in dem Ed deutlich machte, daß er, wenn überhaupt, nur helfen konnte, wenn es ihm gelang, sich einen Eindruck von den Hintergründen zu verschaffen. Etwas mehr als das, was Paul Großmann bis dahin erzählt hatte. An Hypnose glaubte Ed nicht, wie sollte ein kleiner Ganove das zustande bringen. Und Drogen, er wußte zu wenig darüber. Es mochte Stoffe geben, die einen Menschen in ein seelenloses Stück Fleisch verwandeln und sich nach einiger Zeit im Körper6 nicht mehr nachweisen lassen. Davon gehört hatte er schon, doch in Patrizias Fall war er geneigt, auch das völlig auszuschließen. Die Vorgeschichte sprach dagegen. Wenn sie, wie ihr Vater vermutete, das Zeug von Schramm bekommen hatte, hätte sie viel früher in diesen Zustand verfallen müssen, kurz nach Schramms Verhaftung, eher noch nach der ersten Einnahme. Keine Hypnose, keine Drogen, es gab keine Erklärung für ihren Zustand. Vielleicht einfach nur eine sehr krasse Reaktion auf die Enttäuschung. Immerhin hatte sich herausgestellt, daß der Mann, den sie mit der gesamten Inbrunst ihrer siebzehn Jahre liebte, ein ganz gewöhnlicher Verbrecher war. Rauschgifthandel! Zu sieben Jahren verurteilt. Eine recht hohe Strafe, fand Ed. Ein kleiner Dealer konnte Schramm demnach nicht gewesen sein. Enttäuschung war wohl ein gelinder Ausdruck für das, was Patrizia empfinden mußte, aber einen anderen gab es nicht. Noch nicht. Paul Großmann erklärte sich widerstrebend bereit, Ed gewisses Material zur Verfügung zu stellen, damit er sich ein Bild machen könne. Und vor der zweiten Stunde brachte er ihm ihr Tagebuch. Erklärte jedoch gleich:

    »Ich fürchte, viel helfen wird Ihnen das nicht. Aber Sie können immerhin sehen, wie Patrizia vorher war. Sie war ein ganz normales junges Mädchen, ehe sie diesen Dreckskerl traf. Und von dem Moment an war sie wie umgedreht. Ich sage Ihnen gleich, Sie werden eine Menge Unsinn lesen. Daß er in ihrem Bett gelegen hätte zum Beispiel. Der ist mir nie über die Schwelle gekommen. Das hat sie sich ausgedacht. Auch draußen gab es keine Gelegenheit, so oft war sie ja gar nicht mit ihm zusammen. Und der Arzt, der sie untersucht hat, sagte, sie ist noch… na ja, er hat sie nicht angerührt. Warum sie das geschrieben hat, weiß der Teufel. «

    Ganz offensichtlich tat Paul Großmann sich schwer mit dem letzten Teil seiner Erklärung, sie kam längst nicht so flüssig wie der Anfang, und er hielt den Blick dabei zu Boden gerichtet. 7 Bezeichnend genug. Prüde und gehemmt, Großmann war leicht einzuordnen. Ed las die ersten Eintragungen, in denen noch nicht von Heiko Schramm die Rede war. Der interessierte ihn nur am Rande. Ihm war wichtig, sich ein Bild von der Familie zu machen, vor allem von Patrizia. Ein ganz normales Mädchen, wie ihr Vater es ausgedrückt hatte, war sie vermutlich nie gewesen. Durchaus intelligent, aber sehr verträumt und naiv. Mit den Eintragungen hatte sie begonnen zwei Jahre, bevor sie zum erstenmal mit Heiko Schramm zusammentraf. Da war sie vierzehn gewesen, und ihre Vorstellungswelt entsprach eher der eines Kindes, war manchmal ein wenig abstrus. Sie glaubte an Wunder, Gedankenübertragung, Geister- erscheinungen und die vierte Dimension. Sie sprach mit Steinen und Bäumen, träumte von Zeitmaschinen, mit deren Hilfe sie Atlantis und andere versunkene Welten besuchen konnte. Doch daneben regte sich bereits die Sehnsucht nach Konkretem. Ein Freund, der erste Kuß. Sie stellte Vergleiche an zwischen den Erlebnissen ihrer Schulkameradinnen und den eigenen Wünschen. Und für sie stand fest,

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