GU Liebevolle Gebote fuer ein erfuelltes Leben
Vorwort
»Ich reiße euch das Herz aus Stein heraus und pflanze euch ein Herz aus Fleisch ein«, sagt der Prophet Ezechiel im Alten Testament. Schwester Karoline Mayer hat ohne Zweifel ein solches echtes Herz, eines, das mitfühlt und dann handelt. Eines, das liebt.
Ich habe großen Respekt vor dem, was Schwester Karoline in ihrem Leben bewegt, im Leben von zigtausend Menschen erreicht und in den Herzen von noch mehr Menschen gesät hat. Sie ist eine sehr kluge, zähe, furchtlose und charismatische Person, die Ungeheures geleistet hat. Nicht umsonst wird sie »Mutter Teresa der Anden« genannt. Was Schwester Karoline freilich von Herzen ablehnt. Zu viel der Ehre, findet sie. Und irreführend. Denn sie will, anders als Mutter Teresa, politisch leben. Bei meinen Begegnungen mit ihr stand mir eine in sich ruhende kleine Person gegenüber. Jedem Menschen, mit dem sie gerade sprach, war sie ganz zugewandt.
1968, auf dem Höhepunkt der Studentenbewegung, hat Schwester Karoline weder demonstriert noch rebelliert, sondern sich im Gegenteil in Gehorsam geübt: Sie hatte ihrem Orden den Herzenswunsch vorgetragen, als Ärztin in China oder Indien mit den Armen zu leben, doch sie wurde zur reichen Oberschicht im katholischen Chile geschickt. Schnell wurde sie der Not gewahr, die es auch dort in der Hauptstadt Santiago gab. Und sie handelte: Gegen viele Widerstände zog sie aus dem reichen Kloster aus – und in eine klitzekleine Hütte im Armenviertel ein. Sie gründete Suppenküchen und Kindergärten. Oft bekam sie hohen Besuch, beispielsweise von Präsident Allende. Ihrem Orden blieb sie ein Dorn im Auge. Schließlich wurde sie von den Ordensoberen wegen ihrer Unterstützung für die Armen aus Chile abberufen.
Schwester Karoline war in Deutschland, als sich das Militär unter General Pinochet 1973 an die Macht putschte. Sie wollte unbedingt zurück und bei den Menschen dort sein. So verließ sie den Orden und flog, jetzt völlig auf sich gestellt, zurück ins Armenviertel. Dort erlebte sie die Schrecken der Diktatur, versteckte Menschen und half, Verfolgte ins Ausland zu schleusen. In den Augen der brutalen militärischen Machthaber war die Arbeit in den Armenvierteln offener Widerstand. So blieb es nicht aus, dass Schwester Karoline verhaftet und verhört wurde und Bomben unter ihrem Auto fand. Dass sie ihr Leben riskierte, bereitete ihr keine Probleme. Es gehört schlicht zu dem, was sie »meinen Dienst tun« nennt: nämlich für die Menschen da zu sein.
Nach dem Ende der Militärdiktatur (1988) ist dann ein riesiges Sozialwerk entstanden – allein in Santiago sind mittlerweile 21 000 Menschen aus den Armenvierteln im Gesundheitszentrum eingeschrieben und können dort kostenlos mit modernster Medizin behandelt werden. Dazu kamen Kindergärten, Rehabilitationskliniken für Drogenkranke, Werkstätten für Behinderte, Berufsschulen, Frauenausbildungsstätten. Und das nicht nur in Chile, wo die Situation sich zwar insgesamt etwas entspannt hat, wenngleich die Armen immer noch kaum Chancen auf Bildung haben, sondern mittlerweile auch bei den bitterarmen Menschen in Bolivien und Peru.
Der Schriftsteller Heinrich Böll muss jemanden wie Schwester Karoline vor Augen gehabt haben, als er schrieb: »Es wird uns eingeredet, daß Mitleiden in den Bereich der Sentimentalität gehört. Das ist eine Lüge. Mitleiden ist eine ungeheure Kraft, eine große Energie (...). Ich habe den Eindruck, daß man uns einreden will, die Zeit der Humanität sei vorbei, die Zeit des Mitleidens sei vorbei. Harte Herzen brechen leichter als mitleidige Herzen, die eine große Kraft haben.«
Von dieser großen Kraft handelt dieses Buch.
Franz Meurer
Pfarrer im sozialen Brennpunkt, Köln
Post aus Chile I
So fangen meine Briefe aus Chile an, die ich seit vielen Jahren an unsere Freunde und Unterstützer in Europa schicke. Wenn ich heute euch schreibe, will ich es so halten, wie ich es immer halte: Ich will euch duzen. Schon lange habe ich mir angewöhnt, alle Menschen zu duzen. Reich, arm, berühmt oder nicht berühmt, das ist mir gleich. Manchem erscheint das Du erst einmal wie ein Überfall. Wenn die Augen meines Gegenübers gar zu schreckgeweitet sind, dann erkläre ich mich: »Weißt du«, sage ich dann, »ich bin selbst mit dem lieben Gott auf Du und Du und so möchte ich es auch mit dir halten.«
Das gilt natürlich auch für dich, die beziehungsweise der du dich mit mir auf dieses Buchabenteuer einlässt. Ich stelle mir vor, du kämest uns,
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