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Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Titel: Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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Bähnle heute nur noch als Touristenattraktion, und nur zwischen Bezau und Andelsbuch. Einmal die Woche, im Sommer, mit Dampflok! Ich bin über die abenteuerlichsten Felsnischen und -kanten auf einer schmalschmalen Trasse der Bregenzerache entlang hinein zu den Sieben Zwergen gerumpelt. Damals. Als es losging bei mir mit der Kleinbahnleidenschaft. Das war eine meiner schönsten Bahnfahrten, von Bregenz nach Bezau. Am nächsten Tag dann mit dem Glacier-Express hinauf in die Graubündner Berge, von Chur bis nach Zermatt, die Königsstrecke unter den Eisenbahnen. Wollen Sie wissen, wie viele Meisterwerke der Ingenieursbaukunst da über Schluchten führen? Sie werden es nicht erraten. Aber wenn ich zurückdenke, ist mir die kleine Wälderbahn mit ihren Rumpelwaggons mit den Holzpritschen lieber. Das ist, wie wenn man eine alte Holzkutsche neben einen Rolls-Royce stellt. Die Holzkutsche ist mir wärmer in Erinnerung geblieben. Die Rhätische Bahn klettert mit Schweizerischer Präzision und absoluter Pünktlichkeit durch die Bergwelt, leider auch zu stattlichen Preisen. Vielleicht wollen Sie die Anzahl der Eisenbahnbrücken gar nicht so genau wissen?
    Herr Faustini hielt beim Zuhören seine Augen gesenkt, dabei fiel ihm auf, dass Emil weiße Tennissocken in Birkenstocksandalen trug. Einen Augenblick lang gab das rote Jäckchen zwei stark behaarte Herrenbeine frei. Emil trug eine kurze Hose, die er bis unter den Rippenbogen nach oben gezogen hatte, wobei er sein großkariertes Hemd in der Hose bändigte. Vom vielen Kleinbahnfahren waren Emil fast alle Haare ausgegangen. Vielleicht war es auch beim Kursbuchlesen bei schlechtem Licht geschehen. Während er sprach, rückte er Stück für Stück näher an Herrn Faustini heran, der seinerseits Stück für Stück zurückwich. Herr Faustini war eigentlich froh über einen Gesprächspartner nach der in Gesellschaft der Fliege verbrachten Nacht. Aber er fand, es wäre Zeit sich zu verabschieden. Er suchte nach der Lücke in Emils Rede vom Niedergang des Bahnreisens in Zeiten übervoller ICE -Bordrestaurants. Finden Sie irgendeine Spur von Charme im Namen Bordrestaurant?, fragte Emil. Die Lücke war nicht in Sicht.
    Im Bordrestaurant habe ich ein Zugluftgefühl, sagte Emil. Da braust der Wind durch, dass mir nicht wohl wird. Plastikspeisekarte, Plastikbecher, Plastiklöffel, Plastiksandwich. So schnell wie möglich raus und umsteigen in eine Nebenbahn. Man muss weg von den großen Strecken. Die haben alles kahlgeschlagen. Ich würde so gerne noch einmal mit dem Wälderbähnle fahren. Oder mit der Maria-Zeller-Bahn die tausend kleinen Kurven hinauf.
    Herr Faustini ahnte, dass er Emil nicht so leicht wieder loswerden würde. Er versuchte erst gar nicht, sich zu verabschieden. Er ging einfach los, und Emil ging mit. Emils weiße Tennissocken würden ihnen den Weg weisen, auch mitten in der Nacht.

6
    Zwei Männer standen vor dem Denkmal eines bedeutenden Mannes auf dem Marktplatz von Edenkoben. Der Verewigte zeigte die Miene eines klugen und gütigen Herrschers, die rechte Hand ruhte zwischen zwei Knöpfen seines Gehrocks, ganz wie bei Napoleon. Einer der beiden Männer vor dem Denkmal trug ein rotes Jäckchen und blickte mit vorgeschobenen Lippen hinauf in das steinerne Gesicht, der andere konnte sich nicht entscheiden, ob er anwesend war oder nicht. Emil las langsam und stockend vor:
    Ludwig I
    König von Bayern
    Gerecht und beharrlich!
    Er ging eine Vierteldrehung um das Denkmal herum und las:
    Aufenthalt meiner Jugend,
    Pfalz, dich liebe ich
    und Euch, Pfälzer,
    wie Ihr mich!
    Emil sah Herrn Faustini an, als erwarte er dessen Segen um weiterzulesen. Herr Faustini sagte nichts. Emil ging noch eine Vierteldrehung weiter und las:
    Auch vom Throne herabgestiegen,
    schlägt glühend
    noch mein Herz für Bayern
    für Teutschland
    Und wieder eine Vierteldrehung weiter las er:
    Errichtet von der Stadt
    Edenkoben und Verehrern
    des Königs 1890
    Emil sah hinauf zum König. Ob die wohl je den Taubendreck wegmachen?, fragte er für sich selbst. Möchtest du eine Ewigkeit lang als Denkmal herumstehen? Ich möchte lieber nicht, meinte Emil. Bei mir besteht auch keine Gefahr, dass ich als Denkmal ende. Man darf bloß nichts Außergewöhnliches zustande bringen im Leben, dann riskiert man nicht, als Denkmal zu enden. Ich glaube nicht, dass der Freundeskreis der Kleinbahnen e.V. mir einmal ein Denkmal setzen wird. Sonst müsste ich ein Testament machen, um das zu verhindern. Was meinst du? Herr

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