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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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    Martin Cruz Smith
     
    Stalins Geist
     
     
    Die Originalausgabe erschien 2007 unter dem Titel »Stalin’s Ghost«
     
    Für Knox und Kitty
     
     
    PROLOG
    Die Moskauer lebten für den Winter. Für einen Winter mit knietiefem Schnee, der die Stadt weicher machte, fließend von einer goldenen Kuppel zu andern reichte, Statuen neu modellierte und Parkwege in Schlittschuhbahnen verwandelte. Schnee, der manchmal herabwehte wie ein dunstiger Schleier, manchmal dick wie Daunenfedern. Schnee, der die Limousinen der Reichen und Mächtigen zwang, hinter Schneepflügen herzukriechen. Schnee, der sich wie ein Vorhang schloss und öffnete und das Auge mit einem kurzen Blick auf einen beleuchteten Globus über dem Eingang zum Zentralen Telegrafenamt kitzelte, auf Apollos Wagen, der das Bolschoi verließ, auf die Neonumrisse eines Störs über einem Lebensmittelgeschäft. Frauen beim Einkaufen schwebten in langen Pelzmänteln zwischen den Böen dahin. Kinder zogen Schlitten und Snowboards hinter sich her, und Lenin lag in seinem Mausoleum, taub für jede Korrektur, eingehüllt in Schnee.
    Und nach Arkadis Erfahrung würde man, wenn der Schnee schmolz, Leichen entdecken. Im Moskauer Frühling.
     
    Eins
    Es war zwei Uhr morgens, früh und spät zugleich. Zwei Uhr morgens war eine Welt für sich.
    Soja Filotowa trug ihr schwarzes Haar in einem strengen kurzen Schnitt, als wollte sie den Bluterguss unter ihrem Auge trotzig zur Schau stellen. Sie war ungefähr vierzig, schätzte Arkadi, von sehniger Eleganz in ihrem roten Hosenanzug mit dem goldenen Kreuz, das nur als Schmuck diente. Sie saß auf der einen Seite der Nische, Arkadi und Viktor auf der anderen. Soja hatte einen Brandy bestellt, ihn aber noch nicht angerührt. Sie hatte lange rote Fingernägel, und als sie eine Zigarettenschachtel in den Händen hin und her drehte, musste Arkadi an einen Krebs denken, der sein Abendessen inspizierte. Das Cafe war ein chromblitzender Laden über einer Autowaschanlage an der Ringstraße. Heute Abend wurden keine Autos gewaschen, nicht, solange es schneite, und die wenigen Wagen, die es zum Cafe schafften, waren Geländewagen mit Allradantrieb. Die einzigen Ausnahmen waren Arkadis Schiguli und Viktors Lada, die in einer Ecke des Parkplatzes kauerten.
    Viktor nippte an einem Chivas, aber nur ganz vorsichtig.
    Drinks waren teuer, und Viktor war geduldig wie ein Kamel. Arkadi hatte ein bescheidenes Glas Wasser vor sich; er war ein blasser Mann mit dunklem Haar und der Ruhe des professionellen Beobachters. Nach sechsunddreißig Stunden ohne Schlaf war er noch stiller als sonst.
    »Mein Herz tut schlimmer weh als mein Gesicht«, sagte Soja.
    »Ein gebrochenes Herz?«, vermutete Viktor, als wäre das seine Spezialität.
    »Mein Gesicht ist ruiniert.«
    »Nein, Sie sind immer noch eine schöne Frau. Zeigen Sie meinem Freund, was Ihr Mann Ihnen sonst noch angetan hat.«
    Fahrer und Bodyguards saßen versunken auf den Hockern an der Bar; sie umfassten ihre Gläser mit beiden Händen, saugten an ihren Zigaretten, hielten ihr Gleichgewicht. Zwei Bosse verglichen ihre Florida-Sonnenbräune und zeigten einander Schnappschüsse vor Dornröschens Märchenschloss. Soja schob das Kruzifix beiseite, damit sie den Reißverschluss ihrer Jacke aufziehen und Arkadi einen Bluterguss zeigen konnte, der die glatte Fläche ihrer Brust wie ein Weinfleck bedeckte.
    »Ihr Mann hat das getan?«, fragte Arkadi. Sie zog den Reißverschluss hoch und nickte.
    »Sie werden bald vor ihm sicher sein«, sagte Viktor beruhigend. »Solche Tiere sollten nicht frei herumlaufen.«
    »Bevor wir geheiratet haben, war er wunderbar. Selbst jetzt noch muss ich sagen, dass Alexander ein fabelhafter Liebhaber war.«
    »Das ist normal«, sagte Viktor. »Man versucht, sich an die guten Zeiten zu erinnern. Wie lange sind Sie verheiratet?«
    »Seit drei Monaten.«
    Wird es nie zu schneien aufhören?, fragte sich Arkadi. Ein Nissan Pathfinder rollte an eine Zapfsäule heran. Die Mafia wurde konservativ; nachdem sie ihre jeweiligen Territorien vermessen und etabliert hatte, verteidigte sie den Status quo. Ihre Kinder würden Banker werden, und deren Kinder Dichter oder so etwas. Abwarten - in fünfzig Jahren käme ein goldenes Zeitalter der Lyrik.
    Arkadi schaltete sich wieder in das Gespräch ein. »Sind Sie sicher, dass Sie das tun möchten? Manchmal ändert man seine Meinung.«
    »Ich nicht.«
    »Vielleicht wird Ihr Mann sich ändern.«
    »Er nicht.« Ihr Lächeln bekam zusätzliche

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