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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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die Augen und sah Emilia an. Ihr Blick war klar und nicht verwirrt, so wie in den letzten Stunden.
    »Mein Kind?«, fragte sie leise.
    »Ein Junge, er lebt. Habt ihr einen Namen für ihn?«
    »Ich will ihn sehen.«
    Tony eilte aus dem Zimmer und brachte den Säugling. Emilia half Minnie, sich aufzurichten, und legte ihr das Kind in die Arme. Minnie schloss die Augen und schnupperte am Kopf des Neugeborenen.
    »Rudolph soll einen Namen wählen.«
    »Willst du ihn weiter halten?«, fragte Emilia leise, doch Minnie schüttelte den Kopf. »Pass auf meine Kinder auf, Mama. Und sag Rudolph, dass ich ihn immer geliebt habe. Er ist die Liebe meines Lebens, ich bereue nichts. Sag ihm das!« Ihre Stimme klang schwach, aber eindringlich.
    »Das kannst du ihm morgen selbst sagen, er ist hierher unterwegs.«
    Noch einmal sah Minnie ihre Mutter an. »Danke für alles, Mama.«
    Tränen schossen Emilia in die Augen. »Ruh dich aus, deine Familie braucht dich noch.« Doch sie spürte, dass Minnies Kräfte schwanden.
    Minnie fiel wieder in einen unruhigen Schlaf, hin und wieder schien sie wach zu werden, erkannte aber niemanden mehr. Gegen Morgen wurden ihre Atemzüge flacher.
    »Weck Papa und die Kinder«, sagte Emilia zu Tony, die mit ihr am Krankenbett gewacht hatte. »Sie sollen Abschied nehmen.«
    »Küsst eure Mutter«, sagte Emilia leise.
    »Mama schläft«, meinte Arthur verwundert. »Warum schläft Mama so fest?«
    Emilia schluchzte auf, Carl legte den Arm um sie, hielt sie fest.
    »Macht, was Großmutter euch gesagt hat«, brummte er, dann wandte er sich ab und wischte sich über die Augen.
    Carola blieb am Bett stehen, nahm Minnies Hand. »Mama«, flüsterte sie. »Mama, bitte wach auf. Bitte, bitte.«
    Tony brachte die drei Kleinen wieder hinaus, nur Carola weigerte sich, zu gehen.
    Gegen acht Uhr am 26. September 1890 tat Wilhelmina Anna te Kloot ihren letzten Atemzug.
    Emilia konnte sich kaum halten vor Kummer, sie streichelte ihrer Tochter über das Haar und das Gesicht. »Mein Kind, mein armes Kind«, sagte sie immer wieder.
    Carola saß wie versteinert am Bett ihrer Mutter, die Augen gerötet, aber die Tränen wollten nicht fließen.
    Sie konnten das Kind nicht dazu bewegen, den Raum zu verlassen.
    »Sie braucht ihre Zeit«, schluchzte Emilia in Carls Armen.
    Gegen Nachmittag kam Rudolph. Er sagte kein Wort, stürmte nach oben und riss die Tür zu Minnies Zimmer auf.
    »NEIN!« Der Schrei gellte durch das ganze Haus.
    Emilia stand auf. Es fiel ihr schwer, sich zu bewegen, sie hatte das Gefühl, um Jahre gealtert zu sein und keine Kraft mehr zu haben. Mühsam schleppte sie sich nach oben. Rudolph kniete vor Minnies Bett, weinte haltlos.
    »Nein«, schluchzte er immer wieder.
    Emilia ließ ihn weinen. Carola hatte sich auf den Stuhl neben das Bett gesetzt, sie verzog keine Miene, hatte noch immer kein Wort gesprochen.
    Als Rudolphs Schluchzen leiser wurde, zog Emilia ihn hoch, nahm ihn in die Arme und wiegte ihn hin und her.
    »Sch… sch… sch«, murmelte sie.
    »Ich habe sie umgebracht. Ich bin schuld an ihrem Tod.« Rudolph riss sich los, drehte sich um und schlug die Hände vor sein Gesicht, seine Schultern zuckten.
    »Das bist du nicht«, sagte Emilia leise.
    »Das Kind, das Kind hat sie umgebracht. Und ich bin schuld daran, dass sie wieder schwanger war.«
    »Bist du Gott, Rudolph?«, fragte Emilia.
    Er drehte sich zu ihr, schaute sie an.
    »Gott entscheidet über Leben und Tod, nicht du. Nur Gott allein. Das Kind lebt, es ist ein Junge. Minnie wollte, dass du ihm einen Namen gibst.«
    Tony war ihrer Mutter gefolgt, wartete in der Tür. Als sie die Worte der Mutter hörte, ging sie in das Kinderzimmer nebenan und holte den Neugeborenen.
    »Hier«, sagte sie leise und hielt ihn Rudolph hin. »Dein jüngster Sohn.«
    Vorsichtig nahm Rudolph das Kind, sah es staunend an. Der Säugling gähnte und kniff die Augen zusammen, dann öffnete er sie und schmatzte.
    Ein kleines Lächeln schlich sich auf Emilias Lippen. Es war das Wunder des Lebens, das sie in diesem Augenblick berührte.
    »Ist er gesund?«, fragte Rudolph unsicher.
    »Ja. Er ist gesund und munter. Ein kräftiger kleiner Kerl.«
    »Er soll nach seiner Mutter heißen – Wilhelm.«
    Emilia nickte. Das Kind stopfte sich die Faust in den Mund und saugte daran. »Er hat Hunger.«
    Rudolph hob den Kopf. »Ohne Milch wird er sterben, genau wie Minnie«, sagte er verzweifelt.
    »Das wird er nicht, wir haben eine Amme besorgt. Komm, gib mir den kleinen Wilhelm.«

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