Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
die Erde auf, auf der unsere Kinder geboren wurden. All das geben wir auf.«
»All das ist schon lange verloren«, sagte Minnie wütend. »Es war eine Totgeburt. Du hast unwissentlich einen Felsen mit ein wenig Mutterboden gekauft. Ja, auf lange Sicht, mit Geld im Hintergrund, mit Nerven und gutem Wetter, könnte man hier einen ertragreichen Weinberg anbauen.« Sie schnaubte. »Aber wir hatten Pech, von Anfang an«, fügte sie leiser hinzu. »Das war weder dein noch mein Fehler.«
»Minnie te Kloot, bereust du es, mich geheiratet zu haben?« Rudolphs Stimme war kaum zu verstehen.
»Nein, das habe ich nie getan.« Sie wandte sich zu ihm und küsste ihn. »Niemals. Ich liebe dich. Ich liebe unsere Kinder. Sie sind das Beste, was mir passieren konnte. Wir werden das Leben schon meistern, auch wenn sich gerade Berge vor uns auftürmen.«
»Dummerweise keine Weinberge.«
Minnie lachte, laut und befreiend. »Ja, es sind keine Weinberge. Vielleicht ist das auch gut so, damit hatten wir kein Glück.« Sie wurde wieder ernst. »Wirst du das Angebot annehmen und für ihn arbeiten?«
»Ich glaube schon.« Er schwieg einen Moment lang. »Vollmer würde mich auch wieder einstellen, hat er mir gesagt, aber das möchte ich nicht. Ich wäre tagtäglich damit konfrontiert, was ich verloren habe.«
Sie beschlossen, nicht noch länger zu warten und das Angebot des Maklers anzunehmen. Leicht fiel es ihnen nicht. Minnie weinte bittere Tränen, als der Karren mit ihren letzten Habseligkeiten die Farm verließ. Sie bat den Fahrer, am großen Findling anzuhalten, und sah noch einmal auf den Schriftzug »Crefeld«.
Hier habe ich alles durchlebt – großes Glück, aber auch große Hoffnungslosigkeit, dachte sie. Doch ich möchte diese Jahre auf keinen Fall missen.
»Fahr an«, rief sie dem Kutscher zu und zwang sich, sich nicht noch einmal umzusehen.
Dann beginnt eben eine neue Epoche, dachte sie und streckte das Kinn vor, so, wie es alle Frauen der Familie taten.
So sehr Emilia ihre Tochter bedauerte, so war sie doch froh, dass die Familie te Kloot in die Stadt und somit in ihre Nähe zog. Rudolph nahm die Arbeit bei dem Immobilienmakler an. Land war gefragt, denn immer mehr Einwanderer kamen nach Australien. Er musste viel reisen, und Minnie litt darunter, dass sie oft allein mit den Kindern war. Zudem war die Wohnung, die sie gemietet hatten, feucht und kalt. Oft waren sie bei den Eltern in Glebe. Emilia freute sich, ihre Enkelkinder um sich zu haben, machte sich aber große Sorgen um Minnie, die immer dünner und blasser wurde.
»Kind, es werden wieder bessere Zeiten kommen, da bin ich mir sicher. Gräme dich nicht so um den Verlust. Viele Familien müssen einen Traum aufgeben und neu anfangen. Rudolph ist so fleißig, er wird seinen Weg gehen.«
Minnie schlug die Hände vors Gesicht, ihre Schultern zuckten. »Ach, Mama, das ist es ja gar nicht.«
»Was ist es dann?«
»Ich erwarte wieder ein Kind.«
Emilia musste sich setzen. Es war nicht die finanzielle Not der Familie, die sie bestürzte, sondern der Gesundheitszustand ihrer Tochter.
»Es geht ihr nicht gut«, sagte Emilia zu Carl. »Was sollen wir bloß tun?«
»Du kannst es nicht ändern«, seufzte er. »Du tust schon so viel für Minnie, aber die Schwangerschaft kannst du ihr nicht abnehmen.«
»Ich weiß. Ich habe mir überlegt, dass ich Carola und Arthur zu uns nehme. Vielleicht auch Hermine. Dann muss sie sich nur noch umElsa kümmern. Wäre dir das recht?« Er nickte. »Die Kinder lieben dich. Sie sind gerne hier. Und ich freue mich, wenn sie da sind. Manchmal habe ich das Gefühl, ich habe zu ihnen eine engere Beziehung als zu Minnie früher.«
Emilia wurde nachdenklich. »Du hast Minnies erste Lebensjahre verpasst. Und jetzt bist du nicht mehr so viel und so lange unterwegs.«
»Ob es daran liegt?«, grübelte Carl.
Tatsächlich nahm er kaum noch Orders an, die ihn weiter wegführten. Meist fuhr er nach Queensland, um Zuckerrohr nach Sydney zu bringen. So hatte er mehr Zeit für die Familie. Emilia hatte sich immer gewünscht, noch einmal auf große Fahrt mit ihm zu gehen, doch nun, wo ihre Kinder groß wurden, waren die Enkelkinder da. Lily und Clara hatten Söhne bekommen, und Minnies vier Kinder waren mehr in Glebe als bei sich zu Hause.
»Ist dir das nicht zu viel?«, fragte Carl sie oft voller Sorge. »Du hast neun Kinder geboren, acht großgezogen. Selbst unsere kleine Lina ist jetzt vierzehn. Sie wird langsam zu einer jungen Dame.«
Emilia
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