Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
schüttelte den Kopf. »Es gibt nicht Schöneres für mich als die Kinder. Ich liebe es, wenn das Haus voller Lachen ist.«
Minnie hatte schwer mit der Schwangerschaft zu kämpfen. Oft war sie erschöpft, und ein trockener Husten quälte sie.
»Du musst Brustwickel machen«, sagte Emilia.
»Habe ich schon«, erwiderte Minnie müde. »Es hilft nichts. Noch nicht einmal Eukalyptus hilft.«
»Warst du beim Arzt?«
»Nein. Dafür fehlt mir das Geld.« Sie sagte es so leise, dass Emilia sie kaum verstand.
»Wilhelmina Anna Lessing te Kloot!«, schimpfte Emilia. »Das ist doch nicht die Möglichkeit. Du bist krank, du musst zum Arzt gehen. Er soll mir die Rechnung schicken. Denk doch an deine Kinder, sie brauchen dich.«
»Ich weiß, Mama, aber ich kann doch nicht immer Geld von euch nehmen. Wenn Rudolph das erfährt, wird er ärgerlich sein.«
»Dann erfährt er es eben nicht. Und nun geh zum Arzt, ich bleibe bei den Kindern«, sagte sie resolut.
Zwei Stunden wartete sie unruhig auf ihre Tochter. So geht das nicht weiter, dachte sie. Minnie kann hier nicht wohnen bleiben. Es ist feucht und muffig in dieser Wohnung, kein Ort, um Kinder aufzuziehen, geschweige denn für eine Geburt. Außerdem war ihre Tochter sichtlich unglücklich.
Endlich kam Minnie zurück. »Der Arzt hat mir Tropfen gegeben und mir eine Luftveränderung angeraten. Ich soll in die Berge. Was stellt er sich vor? Ich kann doch nicht einfach meine Sachen packen und wegziehen.«
»In die Berge?« Emilia überlegte. »Vollmers haben doch das Wochenendhaus. Vielleicht kannst du dorthin?«
»Das haben sie im letzten Jahr verkauft«, sagte Minnie müde.
»Dann zieht ihr zu uns. Platz genug haben wir und die Kinder sind eh mehr bei uns als bei euch.« Emilia verschränkte die Arme vor der Brust. »Carola wird erst im Sommer mit der Schule beginnen, das kann sie auch in Glebe.«
»Ach Mama, ich kann doch nicht zu euch ziehen.«
»Minnie, dich habe ich in Othmarschen bekommen, in dem Haus meiner Eltern. Ich wäre auch dort mit euch geblieben, wenn euer Vater nicht Kapitän wäre. Keine Widerworte, du kommst zu uns.«
Wieder wurde gepackt. Es war weniger als beim letzten Mal, dachte Minnie traurig, die sich schon von vielen Dingen hatte trennen müssen.
»Wir ziehen zu euch, Großmutter?«, jubelte Carola. Sie liebte ihre Großeltern, kannte das Haus von klein auf, hatte sogar ein kleines Beet im Garten übernommen und zog dort Gemüse. Obwohl sie erst sieben Jahre alt war, hatte sie begriffen, dass es nicht gut um die Familie stand. Fürsorglich kümmerte sie sich um die jüngeren Geschwister. Carola stritt selten, und wenn, war sie im Recht, stellte Emilia verwundert fest. Ihre eigenen Kinder hatten keine Gelegenheit ausgelassen,sich zu bekämpfen, auch wenn sie wie Pech und Schwefel zusammenhielten, wenn es darauf ankam.
Oft saß Carola bei Emilia in der Stube. Sie hatte schon früh lesen gelernt, sprach Deutsch und Englisch fließend und liebte es, zu handarbeiten.
Emilia und Carola standen einander sehr nahe, was daran liegen mochte, dass Emilia ihr auf die Welt geholfen hatte.
Minnies Zustand verbesserte sich auch nach dem Umzug nicht. Rudolph nahm es ihr übel, dass sie zu ihren Eltern gezogen war.
»Ich werde mich um euch kümmern, für euch aufkommen«, schimpfte er. »Schon bald werden wir genügend Geld für eine bessere Wohnung haben.«
»Dann können wir ja wieder umziehen«, sagte Minnie müde. »Aber bis es so weit ist, bleiben wir in Glebe.«
»Ich habe vor deinem Vater an Ansehen verloren.«
»Papas erstes Interesse ist, dass es uns gutgeht. Ach Rudolph, sieh doch ein, dass es so am besten für uns alle ist.«
Auch wenn Carl kein Wort über ihre finanzielle Situation verlor, schämte Rudolph sich sehr. Er arbeitete umso härter, war wochenlang unterwegs, um Immobilien und Land zu verkaufen.
Ende September nahte die Geburt. Emilia sorgte sich sehr um ihre Tochter, die kaum noch die Kraft hatte, das Bett zu verlassen. Wie soll sie bloß die Wehen überstehen?, fragte Emilia sich.
Am Morgen des 24. September 1890 stand Darri in der Küchentür. Sie nickte Emilia zu, ging dann nach oben in Minnies Zimmer.
Es ist so weit, dachte Emilia. Die Aborigines hatten eine besondere Wahrnehmung und schienen Dinge zu wissen oder zu erahnen. Emilia wunderte sich schon lange nicht mehr darüber.
Sie folgte Darri nach oben. Minnie lag keuchend im Bett, sah ihnen mit weit aufgerissenen Augen entgegen.
»Ich werde sterben, Mama«,
Weitere Kostenlose Bücher