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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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Kopf, was meist auch ganz ordentlich funktionierte. Ihr Verlangen nach ihm wurde dadurch nicht weniger, und so konnte sie ihre Partnerschaft in jeder Beziehung vor sich selbst rechtfertigen. Ihren Eltern versuchte sie jedoch vergeblich den Mann ihres Lebens schmackhaft zu machen. Je öfter sich die drei am Wochenende zum Nachmittagskaffee trafen, umso weniger konnten sie ihre gegenseitige Abneigung, die fast schon an Verachtung grenzte, verbergen. Kurt begann, sich absichtlich schlecht zu benehmen. Er wurde unhöflich, rechthaberisch und bissig. Umso mehr ihre Eltern gewisse Manieren von ihm verlangten, desto mehr sträubte er sich gegen ihre kleinbürgerlichen Ansprüche. Er kam mit schmutzigen Fingernägeln und reagierte auf die Bitte ihrer Mutter, sich doch die Hände zu waschen, ehe sie sich zu Tisch setzten, lediglich mit patzigen Antworten. Das sei schließlich ehrlicher Dreck, von ehrlicher Arbeit, meinte er herausfordernd. Oder er wischte sich die Finger demonstrativ am weißen Tischtuch ab und grinste dabei. Wenn ihr Vater ein politisches Thema ansprach, benutzte Kurt in der unweigerlich darauf folgenden Diskussion Worte wie „Schwachsinn“ oder „Spießer“, um ihn zu provozieren, bis das Gespräch schließlich versandete und die Kaffeerunde in peinlichem Schweigen beendet wurde. Irgendwann wurde es ihrer Mutter zu viel, und sie hatte plötzlich jeden Sonntag eine andere Ausrede parat, um ein Treffen mit Kurt zu vermeiden. Niemals hätte sie Johanna offen darum gebeten, Kurt nicht mehr mitzubringen, denn so etwas gehörte sich schließlich nicht, aber sie machte von da an aus ihrer Abneigung gegen Kurt keinen Hehl mehr.
    „Was willst du mit diesem Proleten?“, fragte sie Johanna einmal. „War deine ganze teure Ausbildung eigentlich für die Katz? Haben wir dir nicht beigebracht, dass man sich nicht mit Leuten einlässt, die keine Manieren haben?“
    Johanna verteidigte Kurt jedes Mal und verstand dabei nicht, warum ihr die Meinung ihrer Eltern so wichtig war. Sie war wie besessen von der Idee, ihnen den Kurt zu präsentieren, den sie selbst so vergötterte. Wie konnten ihre Eltern nur so blind sein und ihn so verkennen? Da war es kein Wunder, wenn Kurt sie nicht mochte und sich ihnen gegenüber schlecht benahm. Offensichtlich gehörten sie tatsächlich zu den langweiligen, verknöcherten Spießbürgern, die er so sehr verachtete, und sie selbst hatte erst einen Mann wie Kurt kennenlernen müssen, um sich der banalen Wahrheit bewusst zu werden, dass die hochnäsige Rangordnung ihrer Eltern, in der Kurt auf primitivster Stufe rangierte, oberflächlich und unfundiert war.
     
    Abgesehen von der Kluft zwischen ihrem Angebeteten und ihren Eltern und den selbstverschuldeten Orgasmusschwierigkeiten waren es jedoch wunderbare, verliebte Monate. Kurt sprach in dieser Zeit viel über Australien, und wie gerne er dorthin auswandern würde. Er hatte sich schon beim Konsulat nach den dafür notwendigen Formalitäten erkundigt. Dort sei er mehr als willkommen, erklärte er ihr, so jung und gesund wie er mit seinen achtundzwanzig Jahren sei. Noch dazu als gelernte Kraft in einem gesuchten Beruf, da würde die australische Regierung ihm sogar die Überfahrt bezahlen, wie ihm schriftlich mitgeteilt worden war. Den Auswanderungsantrag hatte er bereits eine ganze Weile vor ihrem Kennenlernen ausgefüllt und eingereicht. Warum er dann nicht schon längst weg sei, hatte Johanna ihn gefragt, als sie dies erfahren hatte. Daraufhin hatte er etwas wirklich Nettes geantwortet.
    „Hab wohl auf dich gewartet!“, hatte er gesagt, und damit war klar, dass sie mitgehen würde. Sie kümmerte sich um ihren eigenen Antrag und erfuhr, dass die Bearbeitung fast ein Jahr dauern würde, und dass sie die schriftliche Einwilligung ihrer Eltern benötigte, weil sie noch nicht volljährig war. Beides konnte allerdings umgangen und beschleunigt werden, indem Kurt, dessen Antrag schon genehmigt war, sie heiratete, denn mit einer Heirat würde seine Einwanderungserlaubnis automatisch auf seine Frau ausgedehnt werden. Allerdings klärte keiner im Konsulat Johanna darüber auf, dass sie sich damit gleichzeitig auch verpflichtete, mindestens zwei Jahre in Australien zu leben, abhängig nicht nur von ihrem Mann, sondern auch von den australischen Behörden. Wenn ihr damals jemand diese Beschränkungen erklärt hätte, nun, es hätte wahrscheinlich nichts geändert. Sie hätte nur darüber gelacht. Denn Kurt würde sie nie im Stich lassen und

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