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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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und roch faulig. Laut knarrten die Bretter der Stiege, von der Decke hing eine trübe Öllaterne, die nur schwach den fensterlosen Aufgang erhellte. Im ersten Stock wurde dem öffentlichen Ankläger die Sicherheitstür aufgeschlossen. Den Wächtern, die hier ihren Dienst versahen, versprach Anton Keil auch einen Golddukaten, wenn sie den Mathias Weber zuverlässig bewachten.
    Zu dem Zellenwärter sagte er: »Bring mich zum Fetzer! Gib mir den Schlüssel zu seiner Zelle und den für die Ketten, und dann geh wieder in das Wachzimmer.«
    »Aber der ist gefährlich. Gestern hat er mich angespuckt, als ich den Eimer holte.«
    »Gib mir den Schlüssel. Ich habe keine Angst, wenn er spuckt. Ich sterbe nicht davon, für ihn geht es zu Ende.« Anton Keil sah durch das kleine, vergitterte Fenster der dicken Eichentür. Der Gefangene saß auf dem Strohsack. Zwei lange, dicke Ketten verbanden die engen Hand- und Fußketten mit der Zellenwand. Der öffentliche Ankläger betrat den stickigen Raum. Das Fenster war bis auf einen schmalen Spalt zugemauert. Unter dem Fensterloch stand der Koteimer, sonst war die Zelle bis auf die Strohmatratze leer. Um den Schlafplatz war die graue Wand über und über mit tiefen Löchern bedeckt. Hier hatten die Gefangenen versucht, die schweren Ketten aus der Wand zu brechen. Es war unmöglich, weil die Ketten durch die dicken Steine hindurchreichten und erst auf der anderen Seite der Mauer mit breiten Eisenhalterungen verbunden waren. Es stank nach Kot, Schweiß und dem fauligen Moder, der aus allen Mauerritzen des Gebäudes strömte. Anton Keil verschloss die Zellentür von innen. Aus den Augenwinkeln hatte er gesehen, wie der Gefangene ihn anstarrte. Er stellte sich dicht vor ihn.
    »Ich will mit dir reden.«
    Mathias hielt jetzt die Augen geschlossen und bewegte sich nicht. Der öffentliche Ankläger setzte sich ihm gegenüber auf den verdreckten Zellenboden und lehnte sich an die Wand.
    »Hörst du, Fetzer, ich will mit dir reden!«
    Mathias öffnete die Augen nicht. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, und die Knöchel schimmerten weiß. Ruhig nahm Anton Keil das längliche Etui aus der Westentasche und zündete sich eine der holländischen Zigarren an. Auch er schwieg jetzt. Eine Stunde betrachtete er schweigend den regungslosen Gefangenen. Dann stand er auf, legte eine Zigarre neben die Strohmatratze und sagte freundlich: »Bis morgen, Fetzer.«
    Er schloss die schwere Eichentür auf und verließ die Zelle. Das Schnappen des Schlosses gab ein schwaches Echo in dem langen Gefängnisflur. Anton Keil sah noch einmal durch das kleine, vergitterte Fenster. Mathias Weber hatte jetzt die Augen geöffnet und starrte auf die Stelle, an der er noch kurz vorher gesessen hatte.
    »Gebt ihm gut zu essen«, schärfte der öffentliche Ankläger dem Wärter ein. »Durchsucht ihn jeden Tag! Er darf weder einen Nagel noch das kleinste Stück Eisen, von dem wir nichts wissen, in der Zelle haben. Wenn er Feuer für die Zigarre will, gebt es ihm. Wenn er Geld, Tabak oder sonst etwas verlangt, dann ruft mich. Ich komme morgen wieder.«
    In seinem Amtszimmer setzte er sich an den großen Schreibtisch. »Diepenbach, du wirst mich von morgen an immer begleiten, wenn ich den Weber in seiner Zelle aufsuche. Du wirst aber draußen auf dem Flur bleiben. Falls er spricht, wirst du jedes Wort aufschreiben.« Der öffentliche Ankläger starrte zum Fenster. »Ich will, dass er mir alles erzählt.«
    »Lassen Sie ihn prügeln.«
    »Dann wird er nie gestehen. Er ist stolz. Nein, ich werde warten.«
    Jeden Tag saß der öffentliche Ankläger eine Stunde dem Gefangenen in der Zelle gegenüber. Sie schwiegen. Mathias wartete unbeweglich und mit geschlossenen Augen, bis der grau gekleidete Mann sich erhob, eine weitere Zigarre neben die anderen legte und die Zelle wieder verließ. Erst dann öffnete er die Augen.
    Der Wärter berichtete dem öffentlichen Ankläger: »Immer, wenn Sie gegangen sind, redet der Fetzer vor sich hin, oder er summt Soldatenlieder. Das ist ein Verrückter. Der redet nur, wenn Sie weg sind.«
    »Der ist nicht verrückt. Ich muss nur einen Anfang finden. Dann redet er auch mit mir«, sagte Anton Keil.
    Am siebten Tag schickte Anton Keil seinen Sekretär zu einem Kunstschmied. »Kaufe fünf Schlösser! Keine einfachen. Jedes Schloss muss einen komplizierten Mechanismus haben. Außerdem bringe mir einen gebogenen Nagel!«
    Gegen sieben Uhr abends musste sich Diepenbach wieder auf den Gefängnisflur in der

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