Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Tode!‹, da stand er auf und sagte fast fröhlich: ›Ich bin zufrieden!‹, und noch einmal ›Ich bin zufrieden!‹ Dann stieg er ruhig vom Podest herunter und setzte sich wieder.«
Der Pater berührte das Kruzifix, das er über der Kutte auf der Brust trug. »Vielleicht hat er schon Frieden …«
»Nein, Pater«, Diepenbach schüttelte den Kopf. »Nein, es ist etwas anderes. Er will, dass es mit ihm zu Ende geht. Er hat hier nie gejammert. Ich musste ihm sogar eine Guillotine zeichnen. Der Pflichtverteidiger zum Pütz zittert ja immer, wenn er einem Mörder oder einem Banditen gegenübersteht. Der Fetzer rief ihm zu: ›Es muss schlecht um den Kranken stehen, wenn der Doktor schon Angst hat!‹«
Pater Asterius lächelte, doch dann wurde er wieder ernst.
»Schrecklich! Als Sohn eines Bürgers mit diesen Fähigkeiten, was hätte er alles werden können!«
»Der Fetzer wäre ein General geworden!«, rief Diepenbach begeistert. »Lesen Sie mal das Protokoll von dem Überfall auf den Postwagen. Wie der organisiert war! Die Bande hat eine Beute von fünfzigtausend Livres gemacht, das sind fast siebzehntausend Taler, und er hat den Raub geplant.«
Anton Keil betrat das Amtszimmer. Eine steile Falte stand auf seiner Stirn. »Jetzt gehört er Ihnen, Pater.«
»Wann kann ich zu ihm?«
»Morgen. Ich habe ihn gerade an seine Zellentür begleitet. Er ist ganz vergnügt.« Der öffentliche Ankläger wandte sich um und legte langsam seinen Mantel ab.
Als Pater Asterius am Mittag des 18. Februar die Zelle betrat, saß Mathias auf der Strohmatratze und rauchte seine Pfeife. Neben ihm stand eine halb geleerte Branntweinflasche. »Ich bin Pater Asterius.«
Mathias nahm einen Schluck aus der Flasche. Der Ursulinen-Prediger faltete die Hände. »Mein Sohn, du wirst …« – »Aufhören!« Mathias presste sich beide Hände an die Ohren. »Bitte, Vater, erzählen Sie mir vom Himmel, ich will was Lustiges hören.«
Pater Asterius sprach eine Stunde. Sobald er versuchte, den Gefangenen auf den Ernst des Todes hinzuweisen, unterbrach ihn Mathias. »Ich hab nur noch ein paar Stunden. Ich will fröhlich sein.«
Als Pater Asterius ihn nach seinem Glauben an das ewige Leben fragte, antwortete Mathias: »Ich werd mir alles ansehen, wenn ich tot bin. Wenn es ist, wie man sagt, dann glaub ich dran.«
Mathias bat den Pater, die Protokolle seiner Überfälle zu holen. »Herr Keil will ein Buch über mich schreiben. Lesen Sie mir bitte draus vor!«
Bis in den Abend des 18. Februar las der Ursulinen-Prediger aus den Protokollen. Den Bericht über den Abend bei dem Eremiten von Lobberich und den Überfall auf den Pfarrer Pithahn musste er zweimal wiederholen. Bevor der Pater ihn verließ, bat Mathias: »Ich möcht morgen noch mal den Herrn Keil sehen, sagen Sie ihm das.«
19. Februar 1803
Der Morgen des 19. Februar war kalt. Auf dem Alter Markt wurde noch vor Sonnenaufgang die Guillotine errichtet. Hart klang das Hämmern bis in die umliegenden schmalen Gassen. Gegen sieben Uhr trafen die ersten Bürger auf dem Platz ein. Einige brachten Hocker, andere ihren Brotbeutel mit. Sie wollten möglichst dicht an dem Gerüst stehen, um auch ja nichts zu versäumen.
Christine verließ um acht Uhr das Bordell der Düwels Trück. Um den Kopf hatte sie ein schwarzes Tuch geschlungen. Mit der rechten Hand umklammerte sie einen großen, verschlossenen Korb. In einem kleinen Beutel an ihrem linken Handgelenk verbarg sie sechs Golddukaten. Sie blieb in der Nähe des Ursulinenklosters unter einem Torbogen stehen und wartete.
Pater Asterius betrat um neun Uhr den Westflügel des ›Kölner Hofs‹. Mathias sah ihm bleich und ruhig entgegen. »Ein Vaterunser will ich jetzt.« Er kniete sich vor den Fensterspalt und murmelte leise. Der Ursulinen-Prediger stand neben ihm und umfasste das kleine Kruzifix. Nach dem Gebet zog Mathias seine Jacke aus. »Ich will sie dem alten Wärter schenken.«
»Aber es ist kalt draußen.«
»Bald werd ich nicht mehr frieren.« Er lachte.
Es war schon fast zehn Uhr, als Mathias unruhig wurde. »Der Herr Keil wollt noch kommen.« Er bat einen Wachsoldaten: »Sag ihm, ich muss ihn sprechen.«
Noch vor dem öffentlichen Ankläger trafen zwei Henkersknechte im ›Kölner Hof‹ ein. Sie brachten das rote Hemd, das jeder Verurteilte auf seiner letzten Fahrt tragen musste. Mathias ging ihnen einige Schritte entgegen. »Hat sie euch gefragt?«, flüsterte er schnell.
Einer der beiden Männer
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