Die Baumgartners
treffe.“
„Wo sind denn deine Eltern?“, wollte der alte Mann wissen.
Doc schüttelte den Kopf. „Ich bin diesmal nur alleine über die Sommerferien hier – zusammen mit ein paar Freunden.“
„Und wer ist das?“ Der Mann mit dem grauen Bart deutete mit seinem Kopf auf Carrie.
„Ich bin Carrie“, erwiderte sie und streckte ihm ihre Hand hin.
Doc stellte sie einander vor. „Carrie, das ist Captain Tony.“
„ Der Captain Tony?“
„Ja, Fräulein, genau der.“ Er tippte kurz mit zwei Fingern an seine weiße Matrosenmütze, während sie ihm die Hand schüttelte. „Sehr erfreut.“
„Ich kann gar nicht glauben, dass Hemingway hier tatsächlich gesessen hat.“ Carrie wandte sich wieder dem Barhocker mit dem Vinylpolster zu.
„Möchtest du dich vielleicht mal draufsetzen?“, fragte Captain Tony sie.
Ihre Augen begannen zu leuchten. „Echt? Darf ich?“
„Na ja, du musst ihm natürlich vorher ein geeignetes Angebot dafür machen“, sagte Doc und grinste.
Als sie seinen schelmischen Blick bemerkte, schwante ihr bereits etwas. „Was denn für ein Angebot?“
Captain Tony räusperte sich und zeigte zur Decke. Obwohl sie seit ein paar Minuten direkt darunter stand, hatte sie sie bis jetzt noch nicht bemerkt – die ganze Decke hing voller BHs in allen erdenklichen Farben, Formen und Größen.
„Das meint ihr doch jetzt nicht ernst?“ Sie starrte abwechselnd die beiden Männer, die Decke und dann Hemingways Barhocker an.
„Okay, schon gut, ich mach´s.“ Sie griff hinter sich und öffnete den Haken ihres BHs durch ihr Sommerkleid hindurch, streifte sich die Riemen erst links und dann rechts vom Arm und zog ihn schließlich auf einer Seite durch den Ärmel ihres Kleids.
„So, bitteschön.“ Sie hielt ihn vor sich hoch und bemerkte erst in diesem Moment, dass ihr die anderen Gäste in aller Seelenruhe dabei zugeschaut hatten. Jetzt brachen sie in lautes Jubeln und Pfeifen aus, und der Barkeeper schoss rasch mit einer Polaroid-Kamera ein Bild davon, wie sie den Männern ihren BH vor die Nase hielt. Dann sprang er mit einem Tacker in der Hand über den Bartresen.
„Der gehört jetzt mir!“ Er stellte sich auf einen Barhocker und tackerte ihren weißen Baumwoll-BH so an die Decke, dass er nun genau zwischen einem BH im Leopardenmuster und einem BH aus rotem Satin mit all den anderen BHs an der Decke hing.
Captain Tony nahm das Seil aus rotem Samt aus der Halterung und winkte sie durch. „Komm, setz dich!“
Carrie nahm stolz ihren Preis in Beschlag und sorgte dafür, dass Doc hinter dem Bartresen mit der Polaroid-Kamera ein Foto von ihr schoss, während sie stolz auf Hemingways Barhocker thronte.
„Und, war es das wert?“, fragte er sie immer noch grinsend.
Carrie blickte kurz an die Decke zu ihrem BH hoch, den dort jetzt alle Welt bewundern durfte. „Absolut.“
Doc bestellte ihnen noch einen Krug Piratenpunsch und fragte sie dann: „Wo bleibt eigentlich Maureen?“
Carrie schlürfte ihren Punsch und nickte. „Pünktlichkeit war noch nie ihre Stärke.“
„Besonders pflegeleicht scheint sie ja nicht gerade zu sein, oder?“
„Ich liebe sie, aber sie ist...“ Carrie hob kurz die Schultern.
„Ein bisschen zu sehr von ihren Eltern verwöhnt?“
Sie lächelte, denn zu ihrer Freundin fielen ihr nur zärtliche und liebevolle Dinge ein. „Ja, da könnte etwas dran sein.“
„Aber du bist es nicht.“ Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und schaute sie an. „Von Haus aus verwöhnt, meine ich.“
„Ich weiß nicht.“ Carrie sah nachdenklich aus. „Vielleicht wäre ich es auch, wenn...“ Sie führte ihren Satz nicht zu Ende, doch Doc spürte, was sie sagen wollte.
„Der Unfall mit deinen Eltern nicht gewesen wäre?“
„Ja, Stiefeltern sind in der Regel nicht dafür bekannt, dass sie ihre Stiefkinder nach Strich und Faden verwöhnen“, sagte sie. „Vor allem wenn sie… streng religiös veranlagt sind und einer sehr frommen evangelischen Kaste angehören.“
„Mich musst du jetzt aber deswegen nicht gleich so vorwurfsvoll ansehen.“ Doc machte eine abwehrende Handbewegung, als sie ihn ansah. „Meine Eltern sind beide nicht praktizierende Methodisten. Bei uns wird dir also niemand irgendwelche Vorträge über deine Sünden oder das Fegefeuer halten.“
Sie lächelte. „Das ist gut.“
„Na ihr zwei!“, rief Maureen fröhlich, als sie in die Bar gerauscht kam. Sie trug ein wunderschönes dunkelblaues Sommerkleid und einen passenden Hut, in dessen
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