Die Bedrohung
1 GOLFITO, COSTA RICA
Mitch Rapp strich mit den Fingerspitzen über ihren glatten nackten Oberschenkel, hinauf zur Taille und über ihren flachen Bauch. Sein Körper schmiegte sich an den ihren, Brust an Rücken, und ihr Kopf ruhte auf seinem Arm. Dieser Augenblick gehörte nicht zum Plan, aber es war nicht wirklich überraschend gekommen. Es hatte sehr wohl kleine Andeutungen gegeben; verstohlene Blicke, Bemerkungen, die nur halb im Scherz gemeint waren. Die Spannung hatte sich über Monate hinweg aufgebaut. Jeder für sich fragte sich, wie weit es wohl gehen würde. Und dann kamen sie in diese private Villa mit Blick auf den einsamen Strand. Die warme feuchte Luft, das Rauschen der Brandung, die Tequilas, die sie zusammen tranken – das alles erzeugte eine Stimmung voll knisternder erotischer Spannung.
Rapp küsste ihre nackte Schulter, stupste eine Locke ihres seidigen schwarzen Haars mit der Nase an und lauschte ihrem Atem. Sie schlief immer noch fest. Er lag eine ganze Weile still da und genoss den Duft und die Berührung der schönen Frau, die neben ihm lag. Er hatte sich lange nicht mehr so lebendig gefühlt, wenngleich irgendwo tief in ihm immer noch Schuldgefühle lauerten und nur darauf warteten, jeden Moment wieder hervorzubrechen. Er spürte, wie es in den Tiefen seines Unterbewusstseins brodelte. Wie es versuchte, an die Oberfläche zu kommen. Wie es ihn zwang, an Dinge zu denken, die er am liebsten vergessen würde, was ihm aber, wie er wusste, nie gelingen würde.
Er löste sich von ihr, drehte sich auf den Rücken und starrte zum Ventilator an der Decke. Kerzenflammen tanzten in der leichten Brise und warfen ein schwaches Licht auf die langsam kreisenden Ventilatorflügel und die dunklen fleckigen Balken über ihm. Draußen, jenseits der offenen Balkontür, rollten die Wellen auf den Strand herauf. Zwei Jahre war es jetzt her, dass eine Bombe sein Haus an der Chesapeake Bay zerstört hatte; bei der Explosion kamen seine Frau und das Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, ums Leben. Nicht ein Mal seit jenem tragischen Tag hatte er ruhig geschlafen, und heute Nacht würde es nicht anders sein.
Sie hatten es auf ihn abgesehen gehabt an jenem Herbstnachmittag, nicht auf sie. Seine Schuldgefühle angesichts ihres Todes steigerten sich abwechselnd zu rasender Wut und tiefster Trauer. Er war ein Narr gewesen, zu glauben, dass er ein ruhiges Leben führen und eine Familie gründen könnte. Er hatte einfach zu viele Feinde. Da waren all die Verwandten jener Männer, die er getötet hatte. Ausländische Regierungen und Potentaten, die nichts lieber sehen würden, als dass Mitch Rapp in seinem eigenen Blut am Boden lag. Es hatte Momente gegeben – Momente der tiefsten Trauer und Verzweiflung, in denen er sich insgeheim wünschte, dass es einem von ihnen gelingen möge. Dann war es ihm fast recht, dass er so viele Feinde hatte. Vielleicht hatte ja einmal einer von ihnen Glück und erlöste ihn von seinem Elend.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das heute Nacht geschehen würde, war jedoch äußerst gering. Auch wenn sein Zusammensein mit dieser Frau etwas anderes vermuten ließ, befand sich Rapp nicht auf einer romantischen Reise zu zweit. Auf den Punkt gebracht, war er an diesen beschaulichen Ort gekommen, um einen Mann zu töten. Einen egomanischen Politprofi, der seine eigenen Interessen und die seiner politischen Verbündeten mit üblen Mitteln verfolgte und dabei dem Land großen Schaden zufügte. Mit seinen dunklen Machenschaften hatte er die letzten Präsidentschaftswahlen manipuliert und den Tod von Dutzenden unschuldiger Menschen in Kauf genommen. Mit jeder Woche, die verging, war sich der Mann sicherer, dass er ungeschoren davonkommen würde. Schließlich wussten nur ganz wenige, welche Rolle er bei diesen Vorfällen gespielt hatte, doch zu seinem Pech waren das Leute, die nicht daran dachten, einen solchen Verrat ungestraft zu lassen.
Rapp und sein Team hatten den Mann fast ein Jahr lang im Auge behalten. Zuerst war die Überwachung äußerst zurückhaltend erfolgt – aus der Ferne, von einem Ende des Kontinents zum anderen. Sie folgten seiner Spur mit elektronischen Mitteln – über seine Kredit- und Bankomatkarte. Im Laufe der Monate ließ die Wachsamkeit der Zielperson immer mehr nach, und die Überwachung wurde intensiviert. Abhörvorrichtungen wurden in der Nähe seines Hauses, seines Büros und seiner Yacht angebracht, und auch seine Handygespräche wurden abgehört. Auf seinen Computern
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