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Und was wirst du, wenn ich gross bin

Und was wirst du, wenn ich gross bin

Titel: Und was wirst du, wenn ich gross bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Kemmler
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prolog
     
    Wir wollen sie Penelope nennen, weil es sich lohnt, jahrzehntelang auf Irrfahrt zu gehen, um sie zu finden. Sie sieht aus wie ein Sonnenuntergang über dem Meer nach einem Gewitter, und sie ist die Tochter eines Gitarristen.
    Ich war sogar kurz mit ihr zusammen.
    Ich räume ein, »zusammen sein« ist in diesem Fall ein bisschen übertrieben. Wenn man es ganz genau nimmt, dauerte die Beziehung sieben Sekunden. Das möge jetzt bitte nicht als larmoyanter Beitrag zur sexuellen Ausdauer von Männern verstanden werden, vielmehr möchte ich damit sagen, es kommt auch bei Beziehungen nicht nur auf die Länge an.
    Seit diesen sieben Sekunden ist bereits ein Jahr vergangen. Ein Jägerjahr sozusagen, voller frühlingshafter Blütenträume, sommerlicher Kornfeldfantasien, herbstlicher Melancholie und winterlicher Arschkälte. So ein Jahr kann sich ziehen. So ein Jahr dauert nämlich erst mal deutlich länger als sieben Sekunden.
    Das ist genug Zeit, um Zeit zu haben. Und in dieser Zeit habe ich alles, was ich kann, zur Schau gestellt, mich stets bemüht mit heißem Verlangen und generell versucht den Eindruck zu erwecken, es handle sich bei mir um eine Erfolgsgeschichte. Um einen Lebenslauf, den man liest und bei dem man das Gefühl hat, auf einer langen geraden Straße entlangzurasen. Ich wollte ihr damit sagen: Schau her, nimm mich, aus mir ist was geworden.
    Ich räume weiterhin ein, »was geworden« ist in meinem Fall ein bisschen übertrieben. Einerseits war ich schon einiges. Andererseits gibt es, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Thema Beziehung, auch Dinge, die ich nicht geworden bin. Ich bin weder Ehemann noch Vater. Dafür sind natürlich sieben Sekunden auch deutlich zu kurz, zumindest in meinem Fall. So bleibt, was das klassische »was werden« betrifft, fast nur der Beruf übrig. Und das Berufsleben ist, ähnlich dem Privatleben, nicht unbedingt meine stärkste Seite. So mag es nicht verwundern, dass Penelope eine fast schon sportlich zu nennende Ausdauer darin gezeigt hat, mich unerhört zu lassen, was ich zeitweise ebenso fand, vor allem weil ich es ihr gegenüber so gerne gewesen wäre. Doch man kann Zurückweisung einfach schlecht widersprechen. Die normale Reaktion darauf, wenn jemand etwas nicht macht, von dem man unbedingt will, dass er oder sie es macht, ist Liebesentzug. Nur greift das in so einem Fall nicht sonderlich gut. Außerdem widerspricht es meiner Natur. Die Lage ist also durchaus ernst zu nennen.
    Nun bin ich inmitten dieser Lage auf die Zeile eines Songs von Tom Waits gestoßen, die da lautet:
    »And she loves you for all that you’re not.«
    Und sie liebt dich für alles, was du nicht bist.
    Das hat mich sehr angesprochen. Denn das »etwas nicht sein« beherrsche ich recht gut, und zwar eigentlich schon immer. Und damit einher geht ja stets auch das »nicht werden«. Damit stehe ich natürlich nicht allein da. Jeder hat ja so seinen verwelkten Strauß an ehemaligen großen Plänen im Schrank, seine ganz persönlichen Morgen von gestern. Das, was nie in der Bewerbung steht. All die Dinge, die man mal werden wollte, bevor man andere Dinge werden wollte, die man dann auch nicht wurde.
    Sollte also Tom Waits Recht haben, wovon grundsätzlich auszugehen ist, dann wird es Zeit, ihr diese Dinge zu sagen. Die Hosen ganz runterzulassen, etwas, was mir noch nie leichtgefallen ist. Und den Grund dafür werde ich im Verlauf dieses Vorhabens wegen eben dieses Vorhabens wohl nennen müssen.
    Tatsache ist, ich habe versucht, ihr alles zu zeigen, was ich bin. Was fehlt, ist die Geschichte von all dem, was ich nicht geworden bin.
     

1
     
    tierforscher
     
    Ich bin in der Serengeti.
    Das liegt in der Savanne. So heißt das, wo die Tiere sind. Ich bin ein Forscher, und ich forsche. Mein Jeep mit weiß-schwarzem Zebramuster steht hinter mir, neben dem Schreibtisch. Vor mir liegt ein Löwe. Aber das macht nichts, weil das Wichtigste hab ich immer dabei.
    Das Grzimek-Album!
    Das ist ein Sammelalbum, so wie Panini für Fußball, bloß für Tiere. Von Bernhard Grzimek. Mit einer kurzen Beschreibung, was die Tiere können. Weil jedes Tier was anderes kann und was anderes macht, sogar wenn sie fast gleich aussehen.
    Zum Beispiel der Löwe ist viel fauler als der Tiger. Und das Panzernashorn ist fast ausgestorben und das Nashorn nicht. Jedes Tier passt dahin, wo es lebt. Deswegen kann auch mein Bruder nicht einfach Tiger sein, weil meine Tante ein afrikanischer Elefant ist und Tiger nämlich nicht in

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