Die Behandlung: Roman (German Edition)
leben, haben noch nichts von dem Vergewaltigungsopfer Morant gehört, einer jungen Dame, die inzwischen zum Liebling der Kunstwelt avanciert ist. Wegen ihrer auffallenden Schönheit ist die luchsäugige Rebecca Morant bei der Kritik anfangs auf Skepsis gestoßen, bis sie für den ultra-coolen Vincent-Preis nominiert wurde …
Caffery klappte das Magazin zu und legte es mit der Titelseite nach unten in die Ablage. Musst du denn unentwegt mit dieser Geschichte hausieren gehen, Becky?
»Also Leute, passt mal auf.« Er klopfte mit einer leeren Sprite-Dose gegen die Wand. »Hört mal zu, Leute. Wir mussten Sie leider etwas überstürzt hierher bitten, deshalb bringen wir es am besten rasch hinter uns. Kommen Sie doch bitte mal mit.« Er hielt das Video in die Höhe und ging in das Dienstzimmer, das er sich mit Souness teilte. Dabei signalisierte er den übrigen Beamten, ihm zu folgen. »Los, kommt schon, Leute, dauert ja nur zehn Minuten. Falls jemand aufs Klo muss, bleibt dafür hinterher noch genug Zeit.«
Das Büro war so klein, dass nur bei geöffneter Tür alle Beamten in dem Raum Platz fanden. Souness stand vor dem Fenster und hielt einen Becher Kaffee, während Caffery das Video in das Gerät schob und wartete, bis sich alle in dem Zimmer versammelt hatten.
»Okay. Sie alle wissen, worum es hier geht. Chief Inspector Souness koordiniert die Befragungen der Anwohner. Wer dafür eingeteilt ist, sollte sich also nach der Besprechung mit ihr kurzschließen. Sobald es hell wird, werden wir auch den Brockwell Park nochmals absuchen. Wer zum Suchtrupp gehört, sollte dort pünktlich erscheinen. Im Übrigen ist höchste Diskretion geboten. Sonst noch was? Ach ja. Auch wenn wir für den Fall zuständig sind, müssen wir uns mit dem Sittendezernat abstimmen, und mit dem Jugendschutz in Belvedere sollten wir auch sprechen, um sicher zu gehen, dass Rory dort nicht bereits aktenkundig ist. Also« – er zeigte auf den flimmernden Bildschirm und holte tief Luft – »wenn Sie gleich die Bilder sehen, werden Sie vermutlich sofort an Maudsley denken.« Er hielt inne. Der Name Maudsley, eine psychiatrische Klinik in Denmark Hill, ließ bei einigen der Beamten sichtlich die Alarmglocken schrillen. Genau das wollte er eigentlich verhindern: Er hoffte, dass sich die Beamten bei ihren Nachforschungen völlig rational verhielten und sich durch die Art des Verbrechens nicht zu Überreaktionen hinreißen ließen.
»Und schreiben Sie den Mann auf keinen Fall von vornherein als Psychopathen ab«, sagte er. »Auch wenn vielleicht einiges dafür spricht.« Er blickte in die Gesichter der anderen. »Kann nämlich durchaus sein, dass genau das beabsichtigt ist. Ist vielleicht eine Art Tarnung. Durchaus möglich, dass wir es mit einem Wald-und-Wiesen-Pädophilen zu tun haben, der ganz bewusst eine falsche Spur gelegt hat, um gegebenenfalls auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren. Und denken Sie daran, dass er sich ganze drei Tage in dem Haus aufgehalten hat. Drei Tage . Klingt nicht gerade wie ein Psychopath. Und denken Sie auch darüber nach, was diese drei Tage bedeuten könnten. Hat er sich vielleicht deshalb so viel Zeit gelassen, weil er keine Angst gehabt hat, gestört zu werden?«
Oder bedeuten die drei Tage womöglich, dass ihm seine miesen Spiele mit Rory so viel Spaß gemacht haben, dass er gleich das ganze Wochenende dageblieben ist?
Dann richtete er die Fernbedienung auf das Videogerät. Auf dem Bildschirm erschien Donegal Crescent in der Abenddämmerung. Unterhalb der Zeitanzeige war eine Gruppe Schaulustiger zu sehen, die sich vor der Absperrung zusammendrängten, um einen Blick auf das kleine Reihenhaus zu erhaschen. Auf den Gesichtern der Leute war der Widerschein des lautlos zuckenden Blaulichts der Einsatzfahrzeuge zu erkennen. Caffery stand mit verschränkten Armen an der Wand und beobachtete aus den Augenwinkeln seine Kollegen. Die Bilder, die gerade über den Monitor liefen, waren der erste Eindruck, den sie von dem Schauplatz des Verbrechens erhielten. Er wusste, dass ihnen das Haus der Familie Peach gerade wegen seiner Normalität ganz besonders gespenstisch erscheinen würde.
»Das Haus liegt am Rand des Brockwell Parks«, sagte er ruhig. »Damit Sie eine Vorstellung davon haben, wo das ist – der Turm, den Sie dort im Hintergrund sehen, ist der Arkaig Tower an der Railton Road. Die Kollegen, zu deren Revier die Gegend gehört, bezeichnen das Viertel bisweilen auch als Crack-Mekka.«
Die Kamera zeigte jetzt
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