Die Behandlung: Roman (German Edition)
Seine Hände zitterten. »Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache.«
»Ach Quatsch – was soll denn schon schief gehen?«
Als schließlich der Fall Tracey Lamb verhandelt wurde, machten die beiden ihre Zigaretten aus, traten in das Gebäude und gingen die schmale Treppe zur Zuschauergalerie hinauf. Im Gerichtssaal, über den sich eine Glaskuppel wölbte, war es strahlend hell und brüllend heiß. Dienstbeflissene Justizangestellte eilten schwitzend hin und her. Die Zuschauergalerie bestand lediglich aus einer harten Bank direkt hinter der Anklagebank und war vom übrigen Gerichtssaal nur durch eine Glasscheibe getrennt. Caffery und Rebecca nahmen ihre Plätze ein. Caffery öffnete die Manschetten seines Hemds und rollte die Ärmel hoch, Rebecca zupfte nervös am Kragen ihres Kleides herum und fächelte sich frische Luft zu.
»Nummer hundertelf auf Ihrer Liste. Tracey Lamb, Rechtsbeistand Alvarez.«
Alvarez vermutete Caffery, das konnte eigentlich nur die südamerikanisch aussehende Frau sein, die auf der rechten Seite des Tisches saß – klein gewachsen und eher gedrungen und in diesem etwas ungepflegten himmelblauen Kostüm wie eine Flugbegleiterin in einem Urlauberjet. Aber der Anklagevertreter? Caffery musterte die Gesichter – kein Schimmer, welche von den Gestalten dort unten der Anklagevertreter sein soll . Er brauchte einen Augenblick, bis er begriff, dass es sich bei dem Staatsanwalt um den grauen Mann mit dem Froschhals handelte, der es mit seinem himmelblauen Hemd und der gelben Krawatte modisch fast mit Alvarez aufnehmen konnte.
Caffery rutschte auf der Bank ein wenig zurück, um sein Gesicht hinter dem Geländer zu verstecken. Er legte keinen Wert darauf, dass der Staatsanwalt dort unten ihn allzu genau erkennen konnte. Nervös, Jack? Ganz schön nervös, was?
Dann wurde Lamb hereingeführt und ging die beiden Stufen zur Anklagebank hinauf. Caffery konnte ihren rasselnden Atem sogar hinter der dicken Glasscheibe hören. »Ist sie das ?«, zischte Rebecca, rutschte auf ihrem Platz nach vorne und versuchte, einen Blick auf das Gesicht der Frau zu erhaschen. Lamb trug über ihrem weißen T-Shirt eine Nike-Jacke, wandte den beiden den Rücken zu und musterte aufmerksam die Richterin und die Beisitzer. Jemand hustete.
»Der Tatvorwurf stützt sich auf ein Video, das der Polizei bereits vor etlichen Jahren in die Hände gefallen ist.« Der Anklagevertreter hatte sich inzwischen erhoben und begann mit seinen Ausführungen. »Die Frau in dem Video konnte unlängst von den ermittelnden Beamten als die Frau identifiziert werden, die dort drüben auf der Anklagebank sitzt.«
Caffery rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her. Rebecca drückte ihm besänftigend die Hand, doch er stand total unter Strom. Tracey Lamb – beziehungsweise ihr Rücken – war nur gut einen halben Meter von ihm entfernt. Sie stellte ihren kleinen Styropor-Spuckbecher neben sich auf ein Brett und zog ihre Jacke aus. Das T-Shirt schmiegte sich hauteng an die Fleischwülste ihres massigen Oberkörpers an. Caffery brauchte nur die Augen zu schließen und sich vorzustellen, dass er ein Messer in der Hand hätte – die restlichen Bilder erschienen dann wie von selbst. Ja, er konnte sich sogar sehr gut vorstellen, wie er der fetten Schlampe vor ihm die Klinge in den Rücken rammte, wusste genau, wie das Resultat aussehen würde, schließlich hatte er auf dem Autopsietisch schon jede Menge Fettklöße gesehen. Er stellte sich vor, wie das vergrößerte Elefantenherz der Frau das Blut durch ihre Rippen pumpte.
Als ob sie seine Gedanken gelesen hätte, inszenierte Lamb genau in diesem Augenblick einen kleinen Hustenanfall. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, senkte den Kopf und drehte ihn etwas zu Seite, sodass sie einen Blick auf die Zuschauergalerie hinter sich werfen konnte. Im ersten Augenblick schien sie überrascht, ihn zu sehen. Sie beäugte Rebecca und dann wieder Caffery. Die beiden tauschten einen langen Blick. Dann ließ Tracey Lamb die Hand nach unten sinken und lächelte. Ihre langen Kaninchenzähne bohrten sich in ihre Unterlippe. Sie zwinkerte ihm zu.
»Miss Lamb – wenn Sie jetzt bitte mich anschauen würden.« Die Bezirksrichterin Bethuen war eine groß gewachsene Frau mit einem majestätischen Hals, die als Einzige der Anwesenden nicht zu schwitzen schien. Sie saß in ihrem karierten Jaeger-Jackett direkt unter dem Wappen aufrecht in ihrem roten Lederstuhl und blickte über ihre Brille hinweg in Lambs
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