0160 - Der Sammler
Tyron Garret fluchte nicht schlecht, daß es ausgerechnet ihn wieder getroffen hatte. Aber was sollte er machen? Beschweren konnte er sich nicht, denn wer vergab schon in dieser schlechten Zeit Nebenjobs? Und einen Nebenjob hatte Ty gefunden, damit er wenigstens etwas von dem halten konnte, was er seiner Frau vor der Ehe versprochen hatte. So war das eben. Vor der Hochzeit großes Mundwerk, und nachher kam der Katzenjammer.
Jetzt fuhr er Kühlschränke für einen Elektrogroßhandel. Warum er sie ausgerechnet nachts transportierte, wußte er nicht, aber er konnte sich vorstellen, daß es dabei nicht immer mit rechten Dingen zuging. Wahrscheinlich waren die Dinger gestohlen. Deshalb durfte Ty Garret auch nicht die bequemen Autobahnen nehmen, sondern mußte sich über Landstraßen quälen. Doch jede Fuhre brachte zehn Pfund, steuerfrei, das lohnte sich schon.
Ein Sender brachte Popmusik. Wenigstens hielt die ein wenig wach, denn die Gegend mochte bei Tag vielleicht schön sein, bei Nacht war sie direkt widerlich.
Da lag die Dunkelheit über den Feldern, als wollte sie nie mehr weichen. Hin und wieder hob sich ein Forst oder Wald von der großen Fläche ab, und weiter im Osten, wo die Hügel begannen, wurde die Straße noch schmaler.
Ein verdammt lausiges Stück England, dachte Ty Garret und drückte das Gaspedal weiter nach unten. Der Wagen benahm sich wie ein störrischer Esel. Er bockte ein paarmal, fuhr aber dann schneller, was Garret wieder beruhigte.
Er klemmte sich eine Filterlose zwischen die Lippen und zündete sie an.
Noch 30 Meilen. Das bedeutete drei Zigaretten, denn alle zehn Meilen verrauchte Garret ein Stäbchen.
Gegenverkehr gab es hier nicht. Wer fuhr schon um diese Zeit durch diese gottverlassene Gegend? Nur Idioten wie er.
Die Scheinwerfer taugten auch nicht mehr viel. Wegen des dürftigen Lichts konnte Garret auch viel zu wenig von der Fahrbahn überblicken. Zudem war er zu faul, die Zigarette aus dem Mund zu nehmen. So stieg ihm der Rauch hin und wieder in die Augen, daß es brannte.
Die Kurve, die durch ein Warnschild angekündigt war, kannte er im Schlaf. Garret dachte gar nicht daran, mit der Geschwindigkeit herunterzugehen er nahm sie voll.
Und das war sein Fehler!
Denn plötzlich stand die Gestalt auf der Fahrbahn. Der Mann mußte irgendwo aus dem Graben rechts oder links der Straße erschienen sein und rannte in das Scheinwerferlicht.
Ty sah ihn zwar, er bremste auch, doch es war zu spät.
Der Mann lief voll in den Wagen.
Die nächsten Sekunden kamen Ty Garret vor, als würden sie im Zeitlupentempo ablaufen. Zuerst spürte er den harten Schlag. Ein Scheinwerfer zersplitterte, und das Glas blitzte im Restlicht der noch leuchtenden Birne auf. Dann sah Garret den Körper hochwirbeln, und er sah auch das Werkzeug in der Hand des Mannes, das ihm allerdings jetzt aus den Fingern rutschte.
Danach war der Mann verschwunden.
Endlich stand der Wagen.
Ty Garret zitterte. Schweißnaß war er. Innerhalb von Sekunden lief sein Kreislauf Amok.
Es war genau das eingetreten, wovor er sich immer gefürchtet hatte. Ein Unfall.
»Verdammte Scheiße!« heulte er und dachte erst jetzt an das Opfer. Er mußte nachsehen. Und wenn der Mann tot war ja, was geschah dann? Was sollte er tun?
Ty öffnete die Tür des Fahrerhauses und sprang nach draußen.
Seine Knie zitterten. Er schlich förmlich um den Wagen herum und suchte nach dem Mann.
Da war nichts.
Überrascht blieb Garret stehen. Das gab es nicht. Er mußte den Kerl doch sehen. Der war nach dem Aufprall hoch- und dann zur Seite weggeschleudert worden. Wenn er nicht auf der Straße lag, dann vielleicht im Graben.
Und da lag ja auch sein Werkzeug, das er in der Hand gehalten hatte. Eine kleine akkubetriebene Motorsäge. Sie war fast bis in den Graben gerutscht.
Ty schluckte. »He!« rief er. »Hören Sie mich, Mann? Ist Ihnen was passiert? Sind Sie verletzt?«
Er bekam keine Antwort.
Dieser Idiot, dachte Garret und entschloß sich endgültig, im Graben nachzuschauen.
Er brauchte es nicht mehr, denn der andere kam von selbst. Als wäre nichts geschehen, so kletterte er aus dem Graben. Auf allen vieren kam er hervor, richtete sich auf und starrte den Fahrer an.
Garret war stehengeblieben. Unwillkürlich fuhr seine Hand zur Kehle, denn damit hatte er nicht gerechnet. Dieser Typ war überhaupt nicht verletzt. Nur seine grüne Jacke zeigte einige Schmutzflecken. Er hatte dunkles Haar und eine Gesichtshaut, die irgendwie grau erschien, und das
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