Die Bernsteinhandlerin
gerade unter Seeleuten ist die Kunst des Schwimmens kaum verbreitet. Manche lehnen es sogar regelrecht ab, sie zu beherrschen, da dies bei einer Havarie die Qual des Ertrinkens nur verlängert!«
Erich von Belden zuckte die breiten Schultern. »Wie gesagt, ich kämpfe zu Pferde und zu Fuà und mit welchen Waffen auch immer! Aber nicht auf See.«
»Da kann ich Euch beruhigen«, versicherte der Kommandant. »Die Begleitmannschaften der Flotte werden nicht aus der Stadtwache rekrutiert.«
»Dann ist es ja gut!«
»So macht Euer Zeichen unter den Kontrakt, Ritter Erich!«
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Von einem einfachen Wachmann bekam Erich von Belden seine Unterkunft gezeigt â einen Raum in einem Gebäude, das in der Nähe der Pferdestallungen lag. Diesen Raum teilte er sich mit zwei anderen Söldnern, die ebenfalls im Rang eines Hauptmanns angestellt waren. Jeder von ihnen hatte vor allem die Wachen in einem Teil der Stadt einzuteilen und dafür zu sorgen, dass sie auf ihrem Posten waren und ihre Waffen stets in Schuss hielten.
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Drei Tage danach hatte er eine Frau in Gewahrsam zu nehmen, die in einer der engen Gassen im Nordwesten zu Hause war. Sie lebte dort von dem Verkauf von allerlei Wundertinkturen, Heilkräutern und dergleichen. Jetzt wurde sie der Giftmischerei bezichtigt, nachdem einer ihrer Kunden gestanden hatte, sich von ihr ein Gift besorgt zu haben. Dieser Kunde war seiner Frau überdrüssig geworden und hatte ihr deshalb dieses
Gift unauffällig unter das Essen gemischt. Sein Geständnis hatte den Stein ins Rollen gebracht. Inzwischen wusste man von insgesamt neun weiteren Fällen.
Die Frau wehrte sich mit Händen und FüÃen â wohl wissend, was ihr bevorstand. Aber die beiden Wachleute, die sie packten und fesselten, lieÃen ihr keine Möglichkeit, ihrem Schicksal zu entkommen.
»Ich bin eine unschuldige Seele!«, rief sie und schrie wie von Sinnen, während die Wachmänner sie aus ihrer Behausung zerrten.
»Als ob ihr der Teufel selbst im Leib sitzt und hinaus will!«, meinte einer der Männer und versetzte ihr einen groben Faustschlag, damit sie ruhig würde. Ihre Knie knickten sofort ein, sodass sie benommen und schlaff in den Armen ihrer Bewacher hing.
Im ersten Moment wollte Erich von Belden einschreiten, denn es widersprach seinen ritterlichen Idealen, die Gefangene so zu behandeln â mochte sie auch niederen Standes sein. Andererseits ersparte es ihr wahrscheinlich noch eine zusätzliche Anklage wegen Hexerei, wenn sie auf diese Weise zum Schweigen gebracht wurde und ihre irren Schreie nicht durch die Gassen schallten.
Mina Lodarsen lautete der Name der Frau. Erich schätzte ihr Alter auf Anfang dreiÃig. Man brachte sie hinaus, und ihre FüÃe schleiften dabei über den Boden. In der Gasse wartete ein Pferdegespann für den Transport der halb bewusstlosen Gefangenen und des zu konfiszierenden Beweismaterials.
Der Ritter wies einige weitere im Dienst der Stadt stehende Büttel an, sämtliche Flaschen, Tiegel und andere GefäÃe mitzunehmen, damit die Schuld der Giftmischerin bewiesen werden konnte und sich nicht etwa Verwandte oder als Komplizen beschuldigte Mitwisser daranmachten, alles wegzuschaffen.
In einem Nebenraum fand Erich drei vor Angst zitternde Kinder: ein Mädchen von elf oder zwölf Jahren und zwei Jungen, die Erich auf fünf und neun schätzte. Sie waren mager, und ihre Sachen starrten vor Dreck.
Später sollte Erich erfahren, dass der Vater dieser Kinder Matrose auf der Kogge eines Bergenfahrers gewesen war, die regelmäÃig groÃe Mengen von Stockfisch nach Lübeck gebracht hatte, der von dort aus bis nach Baiern und Italien verkauft wurde. Während eines Sturms war der Matrose im Skagerrak über Bord gegangen, und seitdem hatte Mina ihre Kinder allein durchbringen müssen.
Jetzt waren sie sich selbst überlassen. Ganz gleich, welche Schuld ihre Mutter auch immer auf sich geladen haben mochte â bevor über sie überhaupt ein Urteil gesprochen würde, waren die Kinder bereits grausam gestraft worden.
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Unmenschliche Schreie gellten durch die finsteren Kellergewölbe. Der städtische Henker und Folterknecht setzte Mina Lodarsen mit glühenden Eisen und Zangen zu, denn auf das Zeigen der Folterwerkzeuge hatte sie nicht mit einem umfassenden Geständnis reagiert, sondern sich im Gespinst ihrer Lügen und Ausflüchte
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