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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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Barbara bei diesem Ausdruck: Das war ein Blick, der bei einem die Vorstellung erweckte, dass er alles sah, alles durchdrang und dass nichts vor ihm verborgen bleiben konnte – nicht einmal der geheimste Gedanke oder die kleinste seelische Regung.
    So unvergesslich dieser Blick auch für jeden sein mochte, der zum ersten Mal von ihm getroffen wurde – so unscheinbar wirkten dagegen die Augenbrauen. Sie waren weißblond wie das Haupthaar und daher kaum zu sehen. Da Adelheids Haaransatz – der derzeitigen Mode entsprechend – fast bis zur Kopfmitte ausrasiert war, entstand auf diese Weise der offenbar auch gewollte Eindruck einer sehr hohen Stirn.
    Â»So also siehst du aus«, sagte sie und hob ihr Kinn. Ihre Worte klangen wie ein vernichtendes, endgültiges Urteil, das wohl so viel hieß wie »gewogen und für zu leicht befunden«. Innerhalb eines Augenaufschlags war es mit einer kalten, an den Streich eines Henkerschwertes erinnernden Präzision gefällt worden. Dass Adelheid Isenbrandt ihrer zukünftigen Schwiegertochter dabei sogar die höfliche Anrede verweigerte, war dabei noch das Geringste. Nichtsdestoweniger konnte sich Barbara unmöglich vorstellen, dass die Vereinbarung über die bevorstehende Verbindung zwischen den Häusern Isenbrandt und Heusenbrink ohne Zustimmung dieser mächtigen Frau getroffen worden war. Zwar hielt Adelheid sich aus den Geschäften ihres Mannes weitgehend heraus, wenn man den unter der hanseatischen Kaufmannschaft kursierenden Erzählungen Glauben schenken konnte, aber dass sie keinerlei Einfluss auf diese für die gesamte Familie so wichtige Entscheidung genommen hatte, war eigentlich undenkbar.
    Adelheid wandte sich ihrem Mann Jakob zu. Die Kinnhöhe der Hausherrin veränderte sich dabei nicht um ein Jota. »Du musst es ja wissen«, meinte sie spitz. An die Adresse von
Heinrich Heusenbrink gerichtet fuhr sie fort: »Aber wenigstens kommt sie zweifellos aus einem guten Haus, auch wenn in letzter Zeit Gerüchte über finanzielle Engpässe die Runde machen.« Sie zuckte nach diesem gezielten Akt der Boshaftigkeit mit den Schultern. »Aber das sind ja sicher nur Gerüchte …«, fügte sie noch kühl lächelnd hinzu.

DRITTES KAPITEL

    Der Ritter und die Giftmischerin
    Nichts aber soll von den gar schrecklichen Taten dieses Weibes verschwiegen werden, auch wenn dadurch auf Bürger von höchstem Ansehen ein Schatten fallen sollte. Denn wie könnte der Gerechtigkeit auf Erden noch Geltung verschafft werden, wenn all der Schmutz der Sünde unter einen dieser wunderschönen Teppiche gekehrt würde, wie man sie in den Morgenländern fertigt und neuerdings in England nachzuahmen versucht?
    Aus dem schriftlichen Entwurf einer Ratsrede von Richard Kührsen, von 1435 bis 1459 Ältermann der Schonenfahrer-Bruderschaft; undatiert
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    Â»Ihr bringt Eure Waffen selbst mit – das ist gut«, sagte Hagen van Dorpen, der Kommandant der Stadtwache der Stadt Lübeck, nachdem er nicht nur den fremden Ritter mit dem Rosenschwert-Wappen, sondern auch dessen Habe begutachtet hatte, die auf seinem Streitross und einem Packpferd verstaut war. Van Dorpen zog den Beidhänder aus der Sattelscheide und prüfte die Klinge.
    Â»Guter Solinger Stahl«, sagte Erich von Belden. »Hat noch kein bisschen Rost angesetzt.«
    Â»Und Euer Rapier?«
    Der Ritter zeigte die Klinge: Sie war dünn und zweischneidig
– aber das wichtigste Merkmal war die Perforation in der Mitte, die Gewicht sparte und die Waffe sehr leicht und wendig machte. Es war noch nicht lange her, dass die Schmiede in der Lage waren, eine solche Klinge zu fertigen, die trotz ihrer Perforation nicht brüchig wurde oder an Elastizität einbüßte.
    Â»Wollt Ihr auch noch sehen, wie ich mit dem Reflexbogen umzugehen weiß? Ich schieße Euch einen Apfel von der Kirchturmspitze. Lasst mich gegen zehn dieser Nichtskönner antreten, die sich binnen nur einer Woche angeeignet haben sollen, wie man mit einer Hakenbüchse oder einer Armbrust umgeht! Ehe diese Ehrlosen es schafften, ihre Waffen zu laden, hätte ich sie schon allesamt niedergestreckt, wenn genügend Pfeile im Köcher wären!«
    Â»Demonstriert mir Eure Kunst später, und falls Ihr gelogen haben solltet, kann man Euch ja immer noch eine leichter zu bedienende Waffe aus der städtischen Rüstkammer in die Hand drücken!« Hagen

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