Die besten Crime-Stories.: Meistererzählungen der Queen of Crime
Place 7, als Barbara ihrer Mutter mit glücklichem Gesicht erzählte: «Jim und ich wir haben uns verlobt. Ja, gestern abend! Ach, Mama, es ist wie im Märchen.»
«Meine liebe! Ich freue mich so – so sehr.» Mutter und Tochter umarmten sich. «Weißt du eigentlich, daß Jim fast genauso heftig in dich verliebt ist wie in mich?» fragte Barbara schließlich mit einem kleinen mutwilligen lachen.
Mrs. St Vincent errötete, was ihr sehr gut stand. «Wirklich, es stimmt», beharrte Barbara. «Du dachtest, das Haus würde die richtige Umgebung für mich sein, und dabei paßt es viel besser zu dir. Rupert und ich – wir gehören nicht richtig hier her. Du schon.»
«Rede keinen Unsinn, Liebling.»
«Es ist kein Unsinn. Es hat etwas von einem verzauberten Schloß, und du bist die verzauberte Prinzessin, und Quentin – ja, er ist der gute Zauberer.»
Mrs. St. Vincent lachte und gab zu, daß sie mit ihrer Bemerkung über Quentin recht habe.
Rupert nahm die Neuigkeit, daß Barbara sich verlobt hatte, gelassen auf.
«Ich dachte schon, daß so was im Busch ist», bemerkte er weise.
Er und seine Mutter aßen allein zu Abend, Barbara war mit Jim ausgegangen.
Quentin stellte das Glas Portwein vor ihn hin und zog sich geräuschlos zurück.
«Ein komischer alter Knabe», sagte Rupert und nickte in Richtung der geschlossenen Tür. «Er hat was Verdächtiges an sich, weißt du, irgendwas ist...»
«...ist faul?» fragte Mrs. St. Vincent dazwischen und lächelte leicht.
«Nanu, wieso wußtest du, was ich sagen wollte?» fragte Rupert erstaunt.
«Weil es ein Lieblingswort von dir ist. Du entdeckst sehr häufig etwas, das faul ist.
Vermutlich glaubst du jetzt, daß Quentin Lord Listerdale umbrachte und ihn unter dem Fußboden versteckte?»
«Hinter der Täfelung», verbesserte Rupert. «Du bringst immer alles durcheinander, Mutter.
Nein, ich habe mich erkundigt Quentin war damals in ‹King's Cheviot›.»
Mrs. St Vincent lächelte ihm zu, stand auf und ging in ihr Wohnzimmer hinauf. In mancher Hinsicht brauchte Rupert lange, bis er erwachsen wurde.
Trotzdem dachte sie dann darüber nach, warum Lord Listerdale England so plötzlich verlassen hatte. Für diesen überstürzten Entschluß mußte es doch einen Grund geben. Sie grübelte immer noch darüber nach, als Quentin mit dem Kaffeetablett eintrat.
«Sie sind lange bei Lord Listerdale gewesen, nicht wahr?» fragte sie direkt.
«Ja, Madam. Seit ich ein Bursche von einundzwanzig war. Da lebte sein Vater noch. Ich fing als dritter Diener an.»
«Sie müssen Lord Listerdale sehr gut kennen. Was für ein Mann ist er?»
Der Butler verschob das Tablett etwas, damit sie den Zucker besser erreichen konnte, und antwortete in leidenschaftslosem Ton: «Lord Listerdale war ein sehr selbstsüchtiger Mann, Madam. Er dachte nie an andere.»
Er nahm das Tablett und trug es aus dem Zimmer. Mrs. St Vincent saß mit der Kaffeetasse in der Hand da und runzelte erstaunt die Stirn. Irgend etwas war seltsam an dieser Antwort gewesen, abgesehen vom Inhalt selbst. Ein paar Sekunden später wurde es ihr blitzartig klar.
Quentin hatte ‹war› gesagt, nicht ‹ist›. Aber dann mußte er glauben... dann dachte er... sie riß sich zusammen. Sie war schon so schlimm wie Rupert! Sie fühlte sich äußerst unbehaglich. Später glaubte sie immer, daß sie in jenem Augenblick den ersten Verdacht gehabt hatte.
Barbaras Glück und Zukunft waren gesichert, und sie hatte Zeit, ihren eigenen Gedanken nachzuhängen, und gegen ihren Willen begannen sie sich immer mehr mit dem geheimnisvollen Lord Listerdale zu beschäftigen. Was steckte wirklich dahinter? Was es auch sein mochte, Quentin wußte etwas. Jene seltsamen Worte, die er gesagt hatte: ‹... ein sehr selbstsüchtiger Mann, er dachte nie an andere.› Was meinte er damit? Er hatte es gesagt, wie ein Richter reden würde, sachlich und unparteiisch.
Hatte Quentin mit Lord Listerdales Verschwinden etwas zu tun? Falls es zu einer Tragödie gekommen war – hatte er seine Finger im Spiel gehabt? Ruperts Vermutungen hatten zwar zu Anfang lächerlich geklungen, aber schließlich war nur ein Brief mit der Handlungsvollmacht aus Ostafrika gekommen, was eigentlich ziemlich verdächtig war.
So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte nicht glauben, daß Quentin zu einer schlechten Tat fähig war. Quentin, sagte sie sich wieder und wieder, war ein guter Mensch. Sie benützte das Wort im einfachsten Sinn, wie ein Kind es tun würde. Quentin war gut.
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