Die besten Crime-Stories.: Meistererzählungen der Queen of Crime
Alix. «Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.»
«Das werde ich haben», meinte George treuherzig. «Es ist ńe feine Sache, zu wissen, daß man sich so richtig vollessen kann, ohne selbst bezahlen zu müssen. Der Gutsbesitzer ist bei seinen Leuten nie kleinlich gewesen. Und dann dachte ich mir auch, Madam, ich kann Sie genausogut jetzt, bevor Sie wegfahren, nach Ihren Wünschen für die Rabatten fragen. Sie wissen wohl nicht, wann Sie zurückkommen, Madam?»
«Aber ich fahre gar nicht fort.»
George starrte sie an.
«Fahren Sie denn morgen nicht nach London?»
«Nein. Wie kommen Sie auf diese Idee?»
George rückte mit einer langsamen Bewegung seine Mütze ins Genick.
«Mr. Martin hat es mir erzählt, als ich ihn gestern im Dorf traf. Er sagte, daß Sie beide morgen nach London fahren, und es sei ungewiß, wann Sie wieder zurückkämen.»
«Unsinn», lachte Mix. «Sie müssen ihn mißverstanden haben.» Trotzdem wunderte sie sich, was Gerald wohl zu dem alten Mann gesagt hatte, er konnte ihn doch nicht so mißverstanden haben. Nach London fahren? Sie wollte niemals wieder nach London.
«Ich hasse London», sagte sie plötzlich bitter.
«Aha», meinte George gelassen. «Na, dann werd' ich mich wohl verhört haben. Und doch, er sagte es ja ganz deutlich. Ich bin froh, daß Sie hierbleiben. Ich halte nichts von diesen Spazierfahrten, und von London halte ich schon gar nichts. Ich habe, Gott sei Dank, nie hinfahren müssen. Zu viele Autos – das ist das Schlimmste heutzutage. Wenn die Leute erst mal ein Auto haben, dann können sie nicht mehr an einem Platz bleiben. Mr. Ames, dem dieses Haus früher gehörte, war immer ein friedlicher, ruhiger Mann gewesen, bis er sich so ein Ding kaufte. Noch nicht einen Monat hat er es gehabt, als er schon das Haus zum Verkauf anbot Und ńe Menge Geld hatte er hier reingesteckt, mit fließend Wasser in allen Schlafzimmern und dem elektrischen licht und so. ‹Das Geld kriegen Sie nie wieder›, sagte ich ihm, aber er meinte, er bekäme zweitausend Pfund für dieses Haus, und zwar auf den Penny. Und richtig, er bekam es auch.»
«Es waren dreitausend», unterbrach Mix lächelnd seinen Redeschwall.
«Zweitausend», wiederholte George. «Die Summe, die er damals verlangte, wurde hier lange genug diskutiert»
«Es waren wirklich dreitausend», sagte Mix.
George war nicht zu überzeugen «Frauen verstehen nichts von Zahlen», meinte er. «Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Mr. Ames den Nerv hatte, von Ihnen dreitausend zu verlangen?»
«Er verlangte es nicht von mir, sondern von meinem Mann», antwortete Mix.
George kniete sich wieder hin.
«Der Preis war zweitausend», murmelte er störrisch.
Alix hatte keine Lust, sich mit ihm zu streiten. Sie ging zu einem anderen Beet und pflückte sich einen schönen, dicken Blumenstrauß.
Als sie ins Haus gehen wollte, bemerkte sie im Vorbeigehen einen kleinen dunkelgrünen Gegenstand, der zwischen den Blättern eines Beetes hervorschaute. Sie bückte sich, hob ihn auf und sah, daß es das Notizbuch ihres Mannes war.
Sie öffnete es und durchblätterte amüsiert die Eintragungen. Gleich zu Beginn ihres Ehelebens hatte sie erkannt, daß Gerald, der impulsiv und gefühlvoll war, einen ausgeprägten Sinn für Ordnung und Systematik besaß, was eigentlich nicht zusammenpaßte. Er war geradezu versessen darauf, daß die Mahlzeiten pünktlich eingehalten wurden, und er plante seinen Tagesablauf mit der Präzision eines Uhrwerkes voraus.
Während sie das Notizbuch durchstöberte, entdeckte sie zu ihrer Erheiterung die Eintragung vom 14. März: ‹Alix heiraten, 14 Uhr 30, St.-Peters-Kirche.»
«Der große Junge», murmelte sie und blätterte weiter. Plötzlich stutzte sie
«‹Mittwoch, 18. Juni›» – das ist ja heute!»
In dem Raum, der für dieses Datum zur Verfügung stand, war mit Geralds gestochener Schrift eingetragen: «21 Uhr.» Sonst stand da nichts.
Was hatte Gerald um neun Uhr abends vor? Alix überlegte. Sie lächelte, denn sie sagte sich, wenn das eine Geschichte wäre, eine solche, wie man sie öfter liest, wäre unzweifelhaft mehr darüber aus dem Notizbuch zu entnehmen gewesen. Zumindest hätte es den Namen der anderen Frau enthalten.
Langsam durchblätterte sie auch die zurückliegenden Eintragungen. Es gab Verabredungen, Besprechungstermine, knappe Anmerkungen über Geschäftsabschlüsse, aber nur einen Frauennamen, nämlich ihren eigenen.
Dennoch, als sie das Büchlein in die Tasche steckte und mit
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