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Die besten Stories

Die besten Stories

Titel: Die besten Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Gleichgültigkeit. Aber in seiner Brust pochte sein Herz vor unterdrückter Aufregung. »Warum diese beiden? Ich meine, Sir, worauf muß ich achten?«
    »Einer dieser Aufsatze«, erläuterte Pethel, »ist die Arbeit eines überzeugten Progressiven, eines loyalen Parteimitglieds von zweifelsfreier Einstellung. Der andere stammt von einem jungen sti-lyagi, den wir kleinbürgerlicher, imperialistischer, degenerierter Kryptoideen verdächtigen. Es ist Ihre Aufgabe, Sir, herauszufinden, wer was geschrieben hat.«
    Herzlichen Dank, dachte Chien. Aber er nickte und las den Titel des zuoberst liegenden Aufsatzes.
    DOKTRINEN DES ABSOLUTEN WOHLTÄTERS, DIE BEREITS IM WERK DES ARABISCHEN POETEN BAHA AD-DIN ZUHAYR (13. JAHRHUNDERT) ERWÄHNUNG FINDEN.
    Während Chien die Seiten des Aufsatzes durchblätterte, stieß er auf einen vertrauten Vierzeiler mit dem Namen »Tod«, der ihm schon zu Beginn seiner Schulzeit begegnet war.
    Einmal wird er fehlen, zweimal wird er fehlen,
Er wählt nur eine von den vielen Stunden;
Für ihn gibt es keine Täler, gibt es keine Höhen,
gibt es nur die Ebene mit ihren Menschenwunden.
    »Eindrucksvoll«, bemerkte Chien. »Dieses Gedicht…«
    »Er verwendet diesen Vierzeiler«, bemerkte Pethel und beobachtete Chiens Lippen, als er das Gedicht erneut las, »um die uralte Weisheit, die der Absolute Wohltäter in unserem Leben verkörpert, mit der Tatsache zu vergleichen, daß kein Mensch sicher ist; wir alle müssen sterben, und nur die überpersönliche, historisch notwendige Idee überlebt. Wie es auch sein sollte. Sind Sie damit einverstanden? Ich meine, mit diesem Studenten? Oder…« Pethel schwieg einen Moment und schaute Chien wachsam an. »Oder will er in Wirklichkeit nur die Verkündungen des Absoluten Wohltäters ins Lächerliche zerren?«
    »Geben Sie mir die Zeit, den anderen Aufsatz zu lesen«, sagte Chien zurückhaltend.
    »Sie benötigen keine weiteren Informationen; entscheiden Sie sich.«
    Zögernd erwiderte Chien: »Ich… ich habe dieses Gedicht noch nie unter diesem Blickwinkel betrachtet.« Er war irritiert. »Wie dem auch sei, es stammt keinesfalls von Baha ad-Din Zuhayr; es ist ein Bestandteil der Erzählungen aus Tausendundeine Nacht. Zumindest stammt es aber aus dem dreizehnten Jahrhundert; das gebe ich zu.« Rasch überflog er den Text, der sich an das Gedicht anschloß. Es schien ein routiniertes, einfallsloses Sammelsurium der von der Partei verbreiteten Klischees zu sein, die ihm von Geburt an vertraut waren. Das blinde imperialistische Ungeheuer, das allen menschlichen Ehrgeiz niederwalzte und erstickte (eine ungeschickt gewählte Metapher), eine Handlungsweise, die auf die noch immer existierenden parteifeindlichen Gruppen in den östlichen Vereinigten Staaten zutraf… Er fühlte sich davon gelangweilt, und sein Kopf war so leer wie das hohle Geschwätz dieses Studentenaufsatzes. Wir müssen weiterkämpfen, behauptete der Verfasser. Die Überreste des Pentagon in den Catskill-Bergen vernichten, Tennessee unterwerfen und vor allem den Haufen starrsinniger Reaktionare in den roten Bergen von Oklahoma zur Räson bringen. Er seufzte .
    »Ich glaube«, meldete sich Tso-pin zu Wort, »wir sollten Mr . Chien die Erlaubnis geben, sich in seiner Freizeit mit diesem schwierigen Problem zu befassen . « Zu Chien gewandt sagte er: »Ich bin einverstanden, daß Sie diese Unterlagen heute abend mit in Ihr Kondominium nehmen, wo Sie dann genug Zeit haben, sich mit ihnen zu beschäftigen.« Er verbeugte sich halb spöttisch, halb freundschaftlich. Nun, wie dem auch sei, ob dies nun als Beleidigung gedacht war oder nicht, auf jeden Fall hatte er Chien aus der Klemme geholfen, und dafür war Chien ihm dankbar.
    »Sie sind sehr freundlich«, murmelte er, »und ich danke Ihnen dafür, daß Sie mir die Gelegenheit geben, diese neue und sehr anregende Arbeit zu Hause in meiner Freizeit zu erledigen. Mi-koyan, würde er heute noch leben, wäre gewiß damit einverstanden.« Du Hurensohn, dachte er, und meinte damit sowohl seinen Vorgesetzten als auch Pethel, den Kaukasier. Schieben mir ein derart heißes Eisen zu, das ich darüber hinaus auch noch in meiner Freizeit erledigen soll. Offensichtlich steckt die KP der USA in Schwierigkeiten; ihre Indoktrinierungsanstalten schaffen es wohl nicht, diesen starrköpfigen, exzentrischen Yankees anständige Gedanken beizubringen. Und dann hat man dieses heiße Eisen so lange hin und her geschoben, bis man endlich einen Dummen gefunden hatte – und zwar

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