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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Verhinderungsgründe vorgeschützt.
    »Ich kann in diesem kleinen Ausfluge nichts Schlimmes finden,« fuhr Roubaud fort. »Du hättest bis zum Donnerstag dort bleiben können, ich würde mich schon bis dahin allein beholfen haben … Du mußt doch zugestehen, daß wir in unsrer Stellung Jene nöthig haben. Ich finde es nicht sehr geschickt, ihre Höflichkeiten abzuweisen, umsomehr als Deine Weigerung ihm sichtlich nahe ging … Ich habe auch erst aufgehört in Dich zu dringen, als Du mich am Paletot zupftest. Dann stimmte ich Dir bei, aber ohne zu begreifen … Nun warum wolltest Du nicht?«
    Séverine, deren Augen unstät umherwanderten, machte eine Bewegung der Ungeduld.
    »Kann ich Dich denn so allein lassen?«
    »Das ist kein Grund … Seit unsrer Hochzeit vor drei Jahren warst Du schon zweimal in Doinville und hast dort eine ganze Woche zugebracht. Ich sehe keinen Hinderungsgrund, auch zum dritten Male dorthin zu reisen.«
    Die Verwirrung der jungen Frau wuchs, sie mußte den Kopf abwenden.
    »Es sagte mir nicht zu. Du wirst mich doch nicht zu Dingen zwingen wollen, die mir mißfallen.«
    Roubaud öffnete die Arme gleichsam als Zeichen dafür, daß er sie zu nichts zwänge, sagte aber dennoch:
    »Halt! Du verbirgst mir etwas … Hat Dich Frau Bonnehon das letzte Mal nicht gut aufgenommen?«
    O doch. Frau Bonnehon wäre stets die Güte selbst gewesen. Diese liebenswürdige, große, kräftige Dame mit herrlichen blonden Haaren war trotz ihrer fünfundfünfzig Jahre noch eine Schönheit. Seit ihrer Wittwenschaft und selbst zu Lebzeiten ihres Mannes soll sie, wie man sich erzählte, ihr Herz oft verschenkt haben. In Doinville war sie der Abgott. Sie wandelte das Schloß in ein Paradies um. Die ganze Gesellschaft von Rouen, namentlich die Beamten waren dort ständige Besucher. Frau Bonnehon suchte ihre Freunde namentlich unter den Beamten.
    »Dann gestehe, daß die Lachesnaye Dich kühl behandelt haben.«
    Seit ihrer Ehe mit Herrn von Lachesnaye war Berthe Séverine gegenüber zweifellos eine andere geworden. Diese arme, unbedeutende Berthe mit ihrer rothen Nase wäre allerdings nicht mehr so gütig wie früher. Die Damen in Rouen lobten sie sehr ihrer Distinktion wegen. Ein so garstiger, trockener, geiziger Gatte wie der ihrige, schiene wirklich wie geschaffen, um seiner Frau seinen Charakter aufzuprägen und sie schlecht zu machen. Aber trotzdem, auch Berthe’s Benehmen ihrer ehemaligen Genossin gegenüber hatte nichts zu wünschen übrig gelassen, Séverine könnte auch ihr keinen direkten Vorwurf machen.
    »Dann mißfällt Dir also der Präsident dort unten?«
    Séverine, die bis dahin langsam und monoton geantwortet hatte, machte abermals eine ungeduldige Bewegung.
    »Ei! Welch ein Einfall!«
    Und sie sprach weiter in kurzen, nervös abgebrochenen Sätzen. Man bekäme ihn im Schlosse kaum zu Gesicht. Er hätte sich in Doinville einen Pavillon reserviren lassen, dessen Thür auf eine öde Landstraße führe. Er ginge und käme, ohne daß Jemand es erführe. Seine Schwester wüßte nie genau zu sagen, wann er käme. In Barentin nähme er einen Wagen und ließe sich Nachts bis Doinville fahren; dort lebe er, von Niemandem gesehen, tagelang in seinem Pavillon. O, er würde dort am allerwenigsten Jemand belästigen.
    »Es fiel mir gerade ein, weil Du mir gewiß an zwanzig Male schon erzählt hast, daß er Dir in Deiner Kindheit stets die blasse Furcht einflößte.«
    »Die blasse Furcht! Du übertreibst wie gewöhnlich … Gewiß, er lachte kaum. Er sah uns mit seinen großen Augen so durchdringend an, daß man sofort den Kopf senkte. Ich habe Leute vor ihm zittern und nicht ein Wort über die Lippen bringen gesehen, so sehr imponirte er ihnen durch den weitverbreiteten Ruf seiner Strenge und Weisheit … Aber mich selbst zankte er nie aus, ich habe immer gefühlt, daß er eine Schwäche für mich hatte …«
    Ihre Stimme sank abermals zum Flüstern herab und ihre Augen suchten die Leere.
    »Ich erinnere mich noch ganz gut … Ich war noch ein kleines Ding und spielte mit meinen Freundinnen in den Alleen. Sobald er kam, versteckten sich alle, selbst seine Tochter Berthe, die unaufhörlich vor Furcht zitterte, eine Sünde begangen zu haben. Ich dagegen erwartete ihn ganz ruhig, und wenn er mich lächelnd mit verzogenem Mündchen dort stehen sah, gab er mir beim Vorübergehen einen kleinen Backenstreich … Später, als ich sechzehn Jahre alt war, mußte ich ihm stets die Bitte vortragen, wenn Berthe irgend eine

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